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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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unzähligen noch weiter hinaufführenden Liften liegt.
    Den Weg wüsste er nun also, der Willibald, die Panoramakarte verrät aber noch mehr. Direkt oberhalb der Überschrift »Bürgljoch-Skischaukel« prangt in geschwungenen Lettern der allseits in diesem Ort gegenwärtige Schriftzug «Thuswalder« kombiniert mit Skiwelt. Also Skiwelt Thuswalder.
    Neben dieser Karte ist zur Erinnerung der Plan des alten Skigebiets aus dem Jahr 2008 ersichtlich: Eine Gondel weniger, Vierer- waren damals noch Zweiersessellifte, drei davon existierten noch gar nicht, ebenso wie der Kinderskiklub samt Mickey-Mouse-Parcours sowie die Funsportarena, was immer das ist. Da hat sich also jede Menge getan die letzten Jahre. Am auffälligsten ist dabei die Tatsache, dass von einer Schindlgruben-Abfahrt 2008 noch nichts zu sehen ist. Dort, wo heute die 4B abwärts führt, war noch vor vier Jahren ein für den Skilauf unerschlossener Berg. Und mittendrin, gemäß Beschriftung der Karte, der Kalcherwirt mit genau jener alten Zufahrt, die der Metzger bei seiner Anreise kennenlernen durfte. Eine malerische Zufahrt, vorbei an verschneiten Zäunen, vorbei an diversen Bauernhöfen, dem Zangerl, dem Haidacher, dem Pfingstner und schließlich, da wird er natürlich gleich ein wenig stutzig, der Willibald, dem Axpichl. Waren Erich Axpichl und sein möglicher Mörder Sepp Kalcher also direkte Nachbarn, im Jahr 2008 getrennt durch ein kleines Waldstück, im Jahr 2012 getrennt durch die Schindlgruben-Abfahrt. Warum reagierte Erich Axpichl im Edelweiß so launisch auf den Thuswalder Papiersack?
    Und warum beugt sich der Herr neben ihm nun so auffällig nahe zur Dame hinter der Glasscheibe der Kartenausgabe vor. Kurz lächeln sich die beiden an, dann wird er mit der äußerst freundlich gestellten Frage »Einheimischer?« konfrontiert, ein Lichtbildausweis wird gezückt und Abrakadabra ein Betrag genannt, von dem in den offiziellen Preisangaben für Liftkarten weit und breit nichts zu lesen ist. Es folgt der Austausch Geld gegen Skipass, dann ist der Metzger an der Reihe.
    »Einheimischer, aber den Ausweis vergessen!«, meint er schmunzelnd.
    »Daran glaub ich wie an die unbefleckte Empfängnis!«, wird mit hörbar sarkastischem Unterton erwidert.
    Jetzt muss er natürlich lächeln, der Willibald. »Aber ich hab die Staatsbürgerschaft!«, erklärt er vergnügt, worauf ihm unmissverständlich erklärt wird: »Deshalb bist trotzdem no lang keiner von den Unsrigen!« Das wars dann mit dem Vergnügen. Heftig packen ihn das Unbehagen und einmal mehr die Vermutung, dieses Dasein unter Zeitgenossen könnte nichts anderes sein als ein Mannschaftssport der einen Unsrigen gegen die anderen, ein ständiges Durchlaufen versteckter Aufnahmemodi, ein ewiger Auf- oder Abstiegskampf am Ende oder der Spitze einer Regionalliga, ständig in Gefahr, jemand zu werden, der entweder nicht einer von uns oder irgendwem sein soll, auch wenn er will, oder der nicht einer von uns oder irgendwem sein will, auch wenn er soll.
    »Halbtagskarte, Zwei-Stunden-Karte, Punktekarte, die Preise stehen hier«, ertönt es von der anderen Seite. Dazu wird dem Metzger ein offizieller Infofolder entgegengeschoben.
    »Aber ich will nur hinauf, also eine Bergfahrt!«, wehrt er sich verbissen.
    »Hinauf wollen sie alle, genau darum geht’s ja bei uns, und die Einzelfahrt gibt’s nur im Sommer!« Und jetzt ist er nur noch garstig, der Unterton, was dem Metzger einmal mehr den für viele Regionen dieser Erde gebräuchlichen Leitsatz verdeutlicht: »Bist von hier, bist a Mensch, bist net von hier, bist a Oaschloch.«
    Aber wehe, ein Großstädter erhält nach Vorlage des Meldezettels in der eigenen Großstadt Sonderpreise für Theaterkarten oder die öffentlichen Verkehrsmittel, da könnte er wegen Überlastung zusperren, der europäische Gerichtshof.
    Robert Fischlmeiers ungesunder Teint hat Farbe bekommen. Hochrot ist seine in Falten gelegte Stirn: »Der Madame Widhalm vergeht bei Fischlmeier also der Appetit. Nun denn, dann werden wir die Dame zumindest so lange aufpäppeln, bis sie für sich und die Allgemeinheit keine Gefahr mehr darstellt.«
    Energisch deutet er jenen beiden Kollegen, die auch Toni Schuster abgeholt und in einem fensterlosen Verhörzimmer abgeladen haben. Zwei kräftige Hände packen die Oberarme der vor Verwunderung erstarrten Sophie, und einer der beiden Beamten, sprich Absolventen der hiesigen Volksschule, erklärt: »Da schaust, so schnell kann aus Gefahr in Verzug Gefahr im

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