Der Metzger bricht das Eis
keiner Sorgen?«
Das sitzt. Schlagartig wird es ruhig.
Eine Zeit lang bleibt es bedrückend still, dann ergreift Walter das Wort: »Was soll nicht stimmen? Also ich mach mir keine Sorgen, Heinrich. So wie der Axpichl mit seiner Frau und seinem Buam umgangen is, da gfriert einem das Herz. Des passt also recht guat mit der Schneekanon. Wenn i der Sepp wär, wär der Axpichl schon weitaus früher faschiert worden, des kannst mir glauben. Der ist doch arm dran, der Bernhard: Zuerst muss er dabei zuaschauen, wia sei Mama von ihrem Mann und ihrer Schwiegermutter, der alten Axpichlerin, aus dem Haus geekelt wird und bis zur Scheidung beim Kalcher Unterschlupf suacht; dann muss er dabei zuaschauen, wia sei Mama das Sorgerecht verliert, weil ja sie diejenige war, die auszogen und dann sogar in die Stadt wegzogen is; dann springt sei Mama vom Dach und liegt seither im Tiefschlaf; ja, und jetzt stirbt ihm auch noch der Vater weg! Grad jetzt, wo die alte Axpichlerin, die Hex, endlich unter der Erd ist.«
»Ist so schrecklich! Was passiert jetzt mit Bernhard?«, steht Danjela Djurkovic die Rührung im Gesicht.
»Na, der wird wohl oder übel zu seiner Tante kommen, ist ja sonst niemand über!«, mischt Heinrich Thuswalder nun wieder mit und wird umgehend von Walter ergänzt:
»Da gibt’s dann ein gewaltiges Beben im Ort, das sag ich euch, so rotieren wird die alte Axpichlerin unter der Erd!«
»Weil?«, will der Metzger wissen.
»Darüber reden die Leut im Ort zum Glück genauso ungern wie über die Todesfälle der Kalcher-Familie. Und die Jungen wissen gar nix mehr davon!«
Eine kurze Pause legt er ein, der Schalk ist mittlerweile aus allen Gesichtern gewichen, dann erklärt er: »Die Axpichlerin war nicht nur die Mutter vom Erich, sondern auch von der Agnes Kalcher!«
»Und warum darf man nicht darüber reden?«, wundert sich der Metzger.
Nun übernimmt wieder Sepp die Rolle des Wortführers:
»Weil die Axpichlerin die Agnes zur Welt gebracht hat, da war sie grad drauf und dran, im Skilauf eine ganz Große zum werden. Alles hat’s probiert, um des Kind auf natürliche Weise zu verlieren, aber die Agnes wollt halt unbedingt auf die Welt kommen. Grob is die Axpichlerin mit der Agnes umgangen, da krieag ich heut noch das Frösteln. Des war für alle ein Glücksfall, dass die Agnes dann recht bald amol zu ihrer Ziehmutter kemman is! Wenn du a so a feine Ziehmutter hast, die dich so gern hat wie später ihr eigenes Kind, da brauchst keine leibliche Mutter mehr, die dich verachtet. Mit den Erfolgen im Skifahren wars dann für die Axpichlerin aber vorbei.«
Unweigerlich landet der Metzger in seinen Gedanken auf dem Friedhof, bei dieser seltsamen Szene am Grab von Aloisia Axpichl, und stellt nachdenklich fest: »Und diese Ziehmutter ist Traude Fischlmeier!«
Da erntet er natürlich erstaunte Blicke:
»Na, da kennt sich ja wer schon ganz schön aus bei uns im Ort!«, meint Heinrich Thuswalder schmunzelnd, und der Metzger ärgert sich über seine unbedachte Wortmeldung. »Dann ist Erich Axpichl Halbbruder und Fischlmeier Robert Ziehbruder von Agnes Kalcher!«, schließt sich Danjela Djurkovic nun den Erörterungen an.
»Ja, Geschwister wie Pech und Schwefel. Der hat am meisten mitgelitten, der Robert, wie es den Kalchers so schlecht gegangen ist. Und dass er den Mann von der Agnes, den Sepp Kalcher, jetzt als Mörder suchen muss, ist sicher das Letzte, was er sich gwünscht hat!«
44
Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll, wer mir helfen könnte. So schön war das mit Edgar in der Scheune, nur daliegen, ihn streicheln, den Großen zuschauen, wie sie Spaß miteinander haben, und endlich ein wenig den Bernhard vergessen können, die Isabella, die Mama und den Papa. Und jetzt geht das nicht mehr, jetzt ist es noch schlimmer geworden! Wie soll ich das alles allein herausfinden, soll ich einfach fragen?
Urli hat zwar vorhin einen der Momente gehabt, wo seine Augen ganz klar sind und man glaubt, alles ist wieder so wie früher.
»Hast recht, lassen wir die alten Knacker allein!«, hat er zu mir gesagt, wie ich ihn von der Eisstockbahn weggebracht hab, aber ich weiß, das dauert nicht lange, und man hat plötzlich wieder das Gefühl, er ist da und zugleich weg. Und genauso geht es mir jetzt mit Papa, er ist da und zugleich weg. Warum bin ich auch mit Edgar in das Zimmer gegangen. Wenn ich in ein Gästezimmer muss, das grad vermietet ist, dann schau ich mich sonst nicht um, das gehört sich nicht. Aber wie soll das gehen,
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