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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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ohne zu schauen, wenn Edgar gleich auf das Bett hüpft und mich anbellt, als sollte ich mich dazusetzen und ihn streicheln. Wie soll das gehen? Und dann ist es mir aufgefallen. Wo haben die das her? Von Oma? Aber das kann nicht sein, Oma weiß doch gar nichts davon, das war unser Geheimnis, und bald ist es auch das von Ada. Soll ich sie einfach fragen, soll ich …

45
    »Lisl, bist du da drinnen?«
    Es ist eine sehr fürsorgliche Stimme, die Willibald Adrian Metzger und Danjela Djurkovic vom Gang entgegenklingt. Vor Zimmer 204 steht Agnes Kalcher, Halbschwester des ermordeten Erich Axpichl, klopft, horcht, rüttelt an der Tür und erhält keine Antwort.
    »Lisl, komm raus, ich weiß doch, dass du da drinnen bist. Das war heut ein schwerer Tag für dich, aber …«
    Agnes Kalcher unterbricht, blickt ihren Gästen entgegen und erklärt: »Verzeihung, wir sind gleich weg, dann haben Sie Ihre Ruhe!«
    Überraschend freundlich wirkt sie auf einmal.
    »Ist alles in Ordnung?«, erwidert der Metzger mit besorgter Miene.
    »Alles in Ordnung. Unsere Lisl ist manchmal ein bisschen bockig und sperrt sich dann wo ein. Die meisten Verstecke kennen wir schon.« Ihre Stimme wird kurz lauter: »Gell, Lisl! Aber bitte lassen Sie sich von uns nicht aufhalten, Sie haben an Ihrem letzten Abend ja sicher noch was vor!«
    »Ja, gehen wir noch hinauf auf Bürglalm!«, schwärmt Danjela.
    »Zum Reini? Fein! Wenn man einmal oben ist, is das ganz was Gmütliches«, erklärt Agnes Kalcher, dann wird sie wieder lauter. »Hast ghört, Lisl, die gehen heut noch zum Reini, machen wir das auch wieder einmal? Lisl, mach auf! Komm, wir gehen jetzt zu den andern rüber, spielen was, malen ein bisschen, du kannst in Ruhe schreiben, ein Pudding ist auch noch da.«
    Danjela Djurkovic und Willibald Adrian Metzger heben die Hand zum Gruß und verschwinden zwei Türen weiter in Zimmer 202. Eigentlicher Zweck des Besuchs, denn es ist bereits kurz vor 19 Uhr: Edgar füttern, schnell noch aufs WC gehen, Geldbörsen holen, warme Unterwäsche anziehen und ab zum Treffpunkt.
    Kaum fällt die Tür ins Schloss, bleibt der Metzger allerdings wie angewurzelt stehen, denkt kurz nach und nimmt schließlich sein ausschließlich für den privaten Gebrauch gedachtes Mobiltelefon zur Hand. Draußen auf dem Gang sind nach wie vor die verzweifelten Versuche Agnes Kalchers zu hören, ihre Enkelin aus Zimmer 204 herauszulocken.
    »Kannst du meine Rufnummer unterdrücken, schnell!«, wird Danjela das Telefon gereicht, denn in solchen Belangen ist ihm seine Holde haushoch überlegen.
    Wenige Sekunden später drückt er auf das grüne Hörersymbol und widmet sich der Anrufliste, so weit reichen seine Fähigkeiten. Er muss nicht lange suchen, um die gewünschte Zahlenreihe ohne Namenseintrag zu finden, und stellt mit dieser bereits schon einmal gewählten Rufnummer erneut die Verbindung her.
    »Wen rufst d…!«
    »Pssssssst!«, wird Danjela forsch unterbrochen, dann passiert genau das, was er im Stillen gehofft hat. Draußen auf dem Gang ertönt eine Melodie. Wie erhofft, wird abgehoben. Ein »Hallo?« ist zu hören, sowohl in Zimmer 202 als auch vor dem Zimmer 204, dasselbe anonyme »Hallo« wie Tage zuvor im Park. Sie führt also hierher, die in Annas Zeichenblock notierte Nummer. Und es war Agnes Kalcher, die damals den Anruf entgegengenommen und bei der sich der Restaurator namentlich vorgestellt hat. Ist Agnes Kalcher ihm gegenüber deshalb so zurückhaltend? Warum? Weil er hier als Gast aufgetaucht ist? Warum hat sie sich damals so erstaunt erkundigt, wo er die Nummer herhätte, und schließlich abrupt aufgelegt? Maria Kaufmann und Agnes Kalcher waren also in Verbindung, nur ist das nicht naheliegend, wo doch Maria Kaufmann während der Scheidung von Erich Axpichl bei Agnes Kalcher gewohnt hat? Was daran ist ein Geheimnis? Nachdenklich setzt sich der Metzger, gefolgt von Danjela, aufs Bett und schüttet sein Herz aus. »Immer mehr Spuren führen hierher, und nichts ergibt einen Sinn!«
    Die Verzweiflung ist ihm anzusehen, woraufhin Danjela Djurkovic behutsam seine Hand nimmt: »Hörst du auf denken, machen wir uns schöne Abend und fahren wir morgen nach Hause. Haben wir probiert, kennt hier keiner Karl Schrothe, und Rest is nix unser Problem.« Genau das ist der Irrtum.
    Kurz nach 19 Uhr begegnet der Metzger vor den Toren des Gasthofs Kalcherwirt dann dem schier Unglaublichen, und das gleich zweimal. Im Gegensatz zur zweiten ist die erste der beiden Überraschungen

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