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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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seitlich in die Erde und schaut am Fuße der Kukuruzpflanzen, dort, wo die Blätter nicht die Sicht verdecken, neugierig ins Feld hinein.
    Es ist eine sehr sanfte, kindliche Stimme, die da aus dem raschelnden Grün herausklingt und nun immer lauter wird. Dann sieht er einen ausgefransten Rocksaum, ein aufgeschürftes Knie und zwei verschieden lange Strümpfe, die aus kleinen, festen Schnürschuhen ragen.
    Mit sicheren Schritten tritt ein zierliches Mädchen in einem ziemlich abgetragenen Kurzarmkleidchen aus dem Feld, zwei Goldkettchen baumeln ihr um den Hals, blonde Stirnfransen und zwei Zöpfe ragen unter einem rot-weiß karierten Kopftuch hervor. An einem Gurt um die Schulter trägt sie ein kleines Funkgerät. In der linken Hand hält sie ebenso wie der erstaunte Metzger einen angebissenen Maiskolben und in der rechten eine Steinschleuder.
    Es dauert nicht lange, bis sie das Schweigen bricht und dem Metzger mit auffordernder Miene entgegenschmettert: »Was machst du hier?«
    »Ich, ich, ich…!«
    »Das gehört meinem Papa!«
    Ein kleiner, ziemlich schmutziger Zeigefinger deutet auf den Maiskolben in der Hand des Restaurators.
    »Das tut mir leid. Ich hab so einen Hunger gehabt, weißt du.«
    »Macht nichts, wir haben eh genug! Was machst du hier?«
    Wozu schwindeln?, denkt sich der ein wenig heruntergekommen wirkende Willibald und erklärt: »Ich bin aus einem Auto gefallen.«
    »Ich bin auch schon mal bei meinem Papa vom Traktor gefallen.«
    »Wirklich? Vom Traktor? Mit einem Traktor bin ich noch nie mitgefahren.«
    »Waaaaaas, das ist ja das Normalste auf der Welt!«
    »Normal« ist eben eine Frage der Sozialisation. In der Stadt schleppen manche Kinder überall kleine Traktoren mit, am Land schleppen manche Traktoren überall kleine Kinder mit.
    »Und da bist du runtergefallen, von so weit oben?«
    »Ja, ich bin aber gleich wieder aufgestanden, nicht so wie du!« Heldenhaft verschränkt das Mädchen die Arme. Dann ist ihrem Gesicht doch etwas Sorge anzusehen: »Hast du leicht eine Wehwehstelle, so wie die da?« Die Kleine deutet stolz auf ihr aufgeschürftes Knie.
    »Nein, ich sitz nur da, um mich ein wenig zu sammeln.«
    »Wie geht das? Ist das so, wie wenn der Papa sagt, dass er jetzt schon wieder die blöden Kühe zusammensammeln muss, oder wenn der Opa mich losschickt, weil er was aus dem Garten braucht?«
    »Nein«, der Metzger muss schmunzeln, »das heißt, dass ich überlegen muss, wie es jetzt weitergeht und wie ich nach Hause komm. Alles halb so schlimm!«
    »Und das da?« Der schmutzige Zeigefinger nähert sich bis auf wenige Zentimeter der Oberlippe des lächelnden Restaurators. »Warum hast du nur einen halben Zahn?«
    »Oh. Da bin ich vom Rad gefallen!«
    »Du fallst aber oft.«
    »Da hast du ganz schön recht«, meint der Metzger. »Was machst du eigentlich im Maisfeld, junge Dame?«
    »Mäuse fangen tu ich, für den Max. Der hat seit so viel Tagen«, dabei streckt sie dem Metzger beide bis zu den Fingerspitzen gestreckten Hände entgegen, »nur mehr drei Pfoten, wegen dem blöden Doktor. Der Max war auch immer im Maisfeld. Aber ich find nix.«
    »Und für die Mäuse brauchst du die Steinschleuder?«
    »Genau!«
    Womit wir wieder beim Thema Sozialisation wären: In der Stadt bringen Kinder überall ihre Mäuse als Haustiere mit, am Land bringen Kinder von überall ihren Haustieren die Mäuse mit.
    »Und wie heißt du, kleine Jägerin?«
    »Franzi heiß ich! Franzi Kaiser, vom Kaiser-Hof.«
    Der Metzger muss jetzt richtig lachen: »Du weißt eh, dass am österreichischen Hof der Kaiser Franz auch ein Jäger war?«
    Das dürfte für die junge Dame ein paar Geschichtsstunden zu weit vorgegriffen sein: »Franzi ist doch kein Bubenname! Das kommt von Franziska! Und wie heißt du?«
    »Willibald Adrian Metzger.«
    »So einen komischen Namen hab ich ja noch nie gehört!«
    Unüberhörbar erfüllen immer lauter werdende Motorengeräusche die drückende Sommerluft. Am geschwungenen Feldweg zeichnet sich eine Staubwolke ab.
    Das darf doch nicht wahr sein, kommt der jetzt zurück?, geht es dem Metzger durch den Kopf.
    Und noch ehe er sich's versieht, springt Franzi Kaiser auf den Weg und beginnt heftig zu winken. In Anbetracht der Umstände ist es nun für den Metzger mit einem durchaus angebrachten Ins-Maisfeld-Abhauen vorbei. Jetzt muss er reagieren. Blitzartig oder zumindest so schnell, wie es ihm sein behäbiger Körper gestattet, steht er auf, während die Motorengeräusche immer näher kommen, packt

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