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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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einmischen, das einen nichts angeht, kann gewaltig ins Auge gehen, sag ich dir! Und jetzt gib sie her!«
    Der ist wirklich nicht ganz bei Trost!, denkt sich der Metzger, und genau damit liegt er nun ausnahmsweise ziemlich richtig, allerdings ganz anders als gedacht.
    »Muss ich alles zweimal sagen? Her damit!«
    »Was? Was wollen Sie von mir? Mich ausrauben?« Hartnäckig bleibt Willibald Adrian Metzger beim »Sie«, so weit kommt es noch, dass er sich freiwillig auf dieses respektlose Niveau begibt. Soll er das Gefühl bekommen, dass er in meinen Augen kein verwahrloster Rüpel, sondern ein ernst zu nehmender junger Mann ist, beschließt der Metzger in Hoffnung auf einen daraus resultierenden Funken Achtung.
    Ratlos sieht er seiner Bedrohung ins Auge. Diesem Blick hält Benedikt Friedmann nicht stand. Mit voller Wucht drischt er seine Faust aufs Armaturenbrett: »Verdammt noch mal! Wer hat hier wen beraubt, du Lump? Gib mir sofort die Fotos!«
    Daher weht also der Wind.
    Was für eine Aufregung wegen zweier verblichener Bilder!
    Maria Zellmoser wird es kaum gewesen sein, es gibt also nur eine einzige Möglichkeit, warum Benedikt Friedmann von diesen Fotos weiß: Warum schlägt ein Pfarrer in Anbetracht dieser abgebildeten Personen am Hirzinger-Hof sofort Alarm? Und warum wird mit derartiger Heftigkeit reagiert?
    »Darum geht es! Die hätten Sie aber auch ohne das ganze Theater haben können.«
    Kaum dass der Metzger die Bilder aus seinem Jackett heraußen hat, werden sie ihm gierig entrissen und eindringlich fixiert. Dann nimmt Benedikt Friedmann den vom Metzger konstruierten Stammbaum zur Hand, hält ihn neben das Gruppenfoto und verfällt abermals in ein gespenstisches Starren, als wäre er mit diesen Bildern etwas Dunkles an die Oberfläche befördert worden.
    So schnell kann der Metzger dann gar nicht schauen, übergreift ihn der jüngste Friedmann-Sprössling, öffnet die Beifahrertür und verfrachtet ihn mit einem kräftigen Stoß aus dem Auto hinaus auf den Acker. Nein, es fliegt nicht hinterher, das liebevoll von der Djurkovic metzgertauglich programmierte Mobiltelefon. Gerade jetzt, wo es wohl zum allerersten Mal wirklich sinnvoll gewesen wäre.
    Dann fährt der Opel Kadett mit heulendem Motor rückwärts retour zur Straße und von dort weiter in Richtung Hirzinger-Hof.
    Eine Handfläche leicht aufgeschürft, bleibt Willibald Adrian Metzger eine Zeit lang verdutzt am Feldweg sitzen. »Was war denn das jetzt, und wie komm ich jetzt bitte zurück zur Kuranstalt?«, eröffnet er das Gespräch mit dem Kukuruzfeld und erhält als Antwort ein lauschiges Blätterrascheln.
    Die Mittagssonne brennt vom Himmel, gegessen und getrunken hat er zwar seit dem Frühstück nichts, erlebnistechnisch ist er heute hingegen bereits bestens bedient.
    Da wird noch ein bisserl was auf ihn zukommen.
    So ein raschelndes Maisfeld kann nämlich überraschend kommunikativ sein. Und nahrhaft. Denn unter dem dichten, blonden, in roten Spitzen endenden Haarwuchs, der ein wenig an die lichte Mähne eines alternden Rockstars erinnert, stecken zu dieser Jahreszeit durchaus genießbare kleine Kolben. Der Metzger knackt sich einen ab und beginnt, ihn sorgsam zu schälen, während der Wind die mächtigen Pflanzen zum Summen bringt. Und dieses Summen überrascht den Willibald nun viel mehr als der überraschend süße Geschmack.
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    »H EREIN!  – A CH, S IE S IND'S, Frau Djurkovic. Hier ist Ihr Schlüssel!« Jakob Förster sitzt hinter seinem Schreibtisch in einem kleinen Büro, öffnet eine Lade und streckt der Djurkovic den farblosen Türöffner entgegen. Ob sich der Begriff »Schlüssel« über den technischen Fortschritt hinwegsetzen wird, wird sich weisen, momentan bezeichnet er jedenfalls auch eine simple weiße Plastikkarte. So simpel wie diese sind die Grußkarten, die da an der großen Pinnwand hinter dem Schreibtisch angebracht wurden, allerdings bei Weitem nicht. Bunt, geschmack-und einfallslos schmettern sie in allen möglichen Varianten ihre Botschaft in den Raum: »Willkommen im Klub!« – »Jünger wird keiner, auch nicht dein Kleiner!« – »Alles Gute zur Halbzeit!« – »Mit 35 beginnt die Talfahrt!«
    Zeig mir deine Geburtstagsgrüße, und ich erzähl dir etwas über deine Freunde. Der einzige Grund, sich freiwillig solche Karten im Büro aufzuhängen, ist wohl die drohende Gefahr des Spontanbesuchs oder die unmittelbare Anwesenheit ihrer Versender.
    »Na, haben Sie schon fünfunddreißig Jahre auf Ihre kräftige

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