Der Metzger holt den Teufel
Wäschekorb nimmt, beginnt er laut nachzudenken: »Apropos Mistkübel! Eine Musikerin wurde in einer Mülltonne gefunden und die andere neben der hauseigenen Mülltonne der Villa. Vielleicht will der Täter seine Opfer bewusst als Abfall deklarieren. Da stellt sich die Frage: Was haben die beiden getan, um in den Augen eines Verrückten als dermaßen unwert zu gelten?«
Mittlerweile hat sich Eduard Pospischill zu seinen Socken gesellt und begleitet diese unbeholfen auf ihrem Weg vom Wäschekorb hinauf in die Gemeinschaft vor sich hin hängender Artgenossen.
»Sprich bitte weiter. Was, meinst du, könnte das Unwertes gewesen sein?«
»Na ja«, setzt der Metzger fort, »das werdet ihr sicher alles schon überlegt haben: Wie man zum Spielen der Pauke einen Schlägel braucht, braucht eine Cellistin ihren Bogen. Und weil genau diese beiden Dinge bei den totenMusikerinnen gefunden wurden, könnte man schon die Frage stellen: Gibt es da jemanden, der an der Tonerzeugung der beiden Damen etwas zu bekritteln hätte, ein verrückter Musikliebhaber, ein pedantischer Mitmusiker, ein Neider? Vielleicht ist irgendein Frauenfeind der Auffassung, dass die beiden Damen für so ein ehrwürdiges Orchester ihre Instrumente nicht ausreichend professionell bedienen konnten. Apropos bedienen: Du hast in deinem Leben noch nie etwas auf einen Wäscheständer aufgehängt oder jemals überhaupt so ein Ding in die Hand genommen?«
»Wenn es mir vorm Fernseher die Sicht verstellt, schon. Aber nicht schlecht, deine Analyse, Metzger, wirklich nicht schlecht. Haben wir uns alles auch schon überlegt, trotzdem, es geht nichts weiter, irgendwo ist in diesem Fall der Hund drinnen! Vom Durchbruch sind wir meilenweit entfernt.«
Was nicht stimmt, denn genauso hört es sich nun an, als wollte jemand durchbrechen. Energisch pocht es an der Eingangstür. Dem beinah zeitgleich erklingenden erbosten Ruf der Herren: »Aber hallo!« folgt im Chor ein einstimmiges: »Wir sind’s!«
»Metzger, hast du uns Besuch bestellt?«, grinst der Kommissar, während die Eingangstür geöffnet wird, dann bewegen sich seine Mundwinkel in die Gegenrichtung.
»Überraschung!«, schmettern die Damen durchs Vorzimmer, die Djurkovic umarmt ihren Willibald, die Trixi, als ob nie etwas gewesen wäre, ihren Eduard und Sophie Widhalm sich selbst, dabei dreht sie sich im Kreis und beginnt zu kichern.
Ihre Einsamkeit währt nicht lange, denn Petar Wollnar ist dem Lärmen durchs Stiegenhaus gefolgt undbringt trotz der Einmaligkeit des phantastischen Ereignisses einer sich ihm an den Hals werfenden Schönheit ein entgeistertes »Stockbesoffen, die Damen!« heraus.
Der Metzger bringt gar nichts heraus, während er, erfüllt von der Einsicht, in die Runde blickt: Er gehört dazu, zu diesem Kreis, das hier ist seine Bande, Familie, das ist sein Netz. Beinah alle sind sie hier. Danjela Djurkovic, Petar Wollnar und Eduard Pospischill, nur Edgar bewacht zufrieden die Schulwartwohnung.
Trixi Matuschek-Pospischill und Sophie Widhalm sind zwar noch ein wenig lose Teile dieser Mannschaft, aber auch das wird sich ändern. Oft reicht nur ein Wimpernschlag, und neue Teile kommen, alte gehen verloren.
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D AS LETZTE M AL HAT SICH Kammerton also zweimal verewigt. Sandra Kainz ist aufgeregt, es fühlt sich seltsam an, so als wäre sie an etwas Großem dran. Etwas erschreckend Großem. Kurz ist ihr der Gedanke gekommen, ihrem Nachbarn diesbezüglich eine schnelle Mitteilung zu senden, dann aber hat sie es sein lassen. Ach, ihr Nachbar, sie weiß nicht, was er beruf lich so treibt, warum so ein Mann wie er allein lebt. Die kurze Zeit, seit sie hierhergezogen ist, weil in diesem Altbau die Lifttür, die Eingangstür und das Stiegenhaus breit genug sind, weil ihre Oma in der Nähe wohnt und weil sie es theoretisch nicht weit zur Uni hätte, hat sie zumindest eines herausgefunden: Ein feinfühliger Charakter ist er, ein herzensguterMensch, einer, von dem sie als Partner nur träumen kann. Von einer Beziehung träumen wird sie nämlich ein Leben lang, da ist sie sich absolut sicher, denn dort, wo ihr Blick in fremden Augen auf Liebe hofft, begegnet sie immer nur dem Mitleid. Das ist zu wenig.
Hier jedenfalls kennt man einander nicht, sieht einander nicht und erwartet voneinander nichts. Hier ist sie wie jeder andere auch:
Bungee11
Da hat jemand seinen Spinat nicht aufgegessen, oder warum hat es jetzt plötzlich so ein Sauwetter? Geht mir das auf den Keks, diese düstere Nebelsuppe, diese grauen
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