Der Metzger holt den Teufel
selben Zeit am selben Ort vorbeispaziert war. Einem Ort, an dem er wochenlang auftauchte, sich hinsetzte, bis sie ihn eines Tages ganz von selbst ansprach, immerhin sah man sich des Öfteren.
»So spät noch allein unterwegs, das kann gefährlich sein ohne Hund!«, hat sie fürsorglich gemeint.
»Ach, ich liebe die Nacht, sitz einfach nur hier und lass die Stille wirken!«, war seine Antwort. Von da an ist er gelegentlich ein Stück neben ihr hergeschlendert, hat den Hund gefüttert, sie anfangs heimwärts begleitet und schließlich ganz nach Hause gebracht. Sie war sein erster Schnitt, und ja, es war ein schöner Schnitt. Als sie regungslos in seinen Armen lag, hat er fast so etwas wie Liebe empfunden.
Mit ihr machte er den Anfang, um sie auftauchen zu lassen, wenn alles sich dem Ende nähern soll. Und es könnteschneller gehen als gedacht, denn mittlerweile hat er unerwartete Hilfe bekommen, von mehreren Seiten.
Jetzt muss er dafür sorgen, dass die Fäden langsam zusammenlaufen.
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W ILLIBALD A DRIAN M ETZGER ist in der Werkstatt gelandet, empfangen von einer unfassbaren Nachricht. Das, was da gerade auf seinem Anruf beantworter zu hören war, wird er als Beweis an sicherer Stelle auf bewahren, nur damit Eduard Pospischill nicht eines Tages behaupten kann: »Etwas Derartiges hab ich nie gesagt!«
Er hat es gesagt, laut Zeitanzeige um drei Uhr fünfundvierzig: »Metzger, ich dank dir so! Dass du da warst, dass du so eine Frau hast wie die Danjela, ohne die das gestern Abend alles nicht passiert wäre, dass du mir dein Sofa überlassen hast, dass du mein Freund bist. Mein bester Freund. Bist ja auch der einzige! Die Trixi will nach dem ganzen Theater die Danjela einmal ins Theater ausführen, als kleines Dankeschön, sehr originell! Ich führ dich auch mal aus, Ehrenwort, aber eines sag ich dir, da suchen wir uns eine garantiert unterhaltsamere Stegreifbühne, beispielsweise den Wirten ums Eck!«
Ein paarmal lässt er es abspielen, der Metzger, nicht nur um es glauben zu können, sondern weil sich so eine Mitteilung einfach auch wohltuend anhört. Dann wechselt er die Kassette und beschließt, dass es mit Sicherheit nicht zuerst die Trixi sein wird, die seine Danjela demnächstausführt, denn heute ist sie angekommen, seine bereits bezahlte kleine Bestellung.
Es ist ein Freitagmorgen, und es ist ein sehr früher Morgen. Grund dafür ist die zu erledigende Arbeit am Louis-seize-Kleiderschrank. Prächtig aufgestellt steht er im hinteren Bereich der Werkstatt, und dass er mit seinen drei Beinen überhaupt stehen bleibt, liegt einzig an dem fast perfekten Ersatz des fehlenden vierten. Ein passenderes Stück, zumindest was die Höhe betrifft, hätte er in seiner Werkstatt gar nicht finden können. Da hat er also Glück gehabt, der Kasten, und verantwortlich für dieses Glück ist natürlich der entsprechende Schlüssel dazu, klarerweise in gebundener Form und klarerweise, ohne zuvor zu Ende gelesen worden zu sein.
Nun kann er also aufrecht arbeiten, der Metzger, anstatt am Boden Gymnastik zu betreiben, und das ist auch gut so. Nicht nur, weil er viel mehr ein Kunsthändler als ein Kunstturner ist, sondern weil hier offensichtlich jemand der Meinung war, man müsse im Inneren des Kastens direkt auf die wunderschöne Maserung des massiven Eichenholzes eine gemusterte Tapete kleben, und zwar fixiert mit einem Kleister von dermaßen dauerhafter Bindung, da kann eine kirchliche Trauung nicht mithalten. Selten zuvor haben solch herbe Töne seinen Gewölbekeller erfüllt. Er kann es ja gut verstehen, dass sich bei einer derart schlampigen Arbeitsweise, wie sie von sogenannten Spezialisten zuhauf an den Tag gelegt wird, jeder selbst versucht, ganz nach dem Motto: Bevor mir der Fachmann etwas kostspielig ruiniert, richt ich’s mir lieber preiswert selbst. Aber das hier zeugt schon von höchst bedauernswerter Blödheit.
Wie eine Maschine bewegt der Metzger also seine Spachtel auf und ab, sprüht das Papier ein, schabt und stöhnt und schwitzt, dann kann er etwas erkennen. Anfangs überrascht ihn das keineswegs, unter Tapeten stecken eben oft die größten Überraschungen. Auch diese Kastenrückwand dürfte der künstlerischen Entfaltung eines Kindes gedient haben. Wobei das ja heutzutage nicht immer so leicht auseinanderzuhalten ist, zeitgenössische Malerei und die ersten Kreativversuche eines Zweijährigen. Der Einsatz eines Filzstifts spricht in diesem Fall eher für ein kindliches Werk, die deutlich erkennbare
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