Der Metzger holt den Teufel
Ohr.
So weit kommt es noch, dass sich Sophie Widhalm ihre Drückjagdpremiere optisch hätte ansehen lassen. Da sind für diverse Kleider, die ungetragen in ihrem Schrank hängen, schon mehr sinnlose Scheine über den Verkaufstisch geflattert als für diese traurige Jägerkostümierung – die sie ja eventuell noch ein zweites Mal wird brauchen können. Das hängt klarerweise vom heutigen Jagderfolg ab. Momentan steht ihr diesbezüglich allerdings dieser geschniegelte Lackaffe im Visier herum, und das, ohne auch nur den geringsten Anschein zu erwecken, sich in seine Rolle als drittes Rad am Wagen einfügen zu wollen. Wenig später hocken sie also zu dritt im Salon, trinken Tee und reden. Nur sie reden nicht mit ihr, die beiden Herren, vielmehr reden sie auf sie ein, peitschen sich gegenseitig vorwärts.
Eugen erzählt von seinen Pferden, Rupert von seinen PS. Dann erzählt Eugen von seinen Pferden und Rupert von seinen PS, bis schließlich der eine bei seinen Pferden und der andere bei seinen PS landet. Das sind aus Sophie Widhalms hormonell beeinträchtigter Sicht ja durchaus spannende Themen – für fünf Minuten. Nach einer Stunde allerdings und mit dem Wissen, welche Viskosität eines Öles sich wie auf die Motorleistung eines Autos und welche Zusammensetzung des Futters sich wie auf das Gedärm eines Pferdes auswirkt, interessiert sie der Rückstoß der an der Wand hängenden antiken Vorderladerpistole nach einem gezielten Schuss jedoch weitaus mehr. Verschwindet dieser Leugendorf denn gar nicht mehr?
Selten zuvor hat Sophie Widhalm jemanden kennengelernt, der ihr nicht nur auf Anhieb, sondern auch nachmehrmaligem Hinsehen einfach nur unsympathisch gewesen wäre. Alles, aber auch wirklich alles an Rupert von Leugendorf schreit nach Gewalteinwirkung – und dem Zustand seines Gesichts nach zu urteilen, dürfte sie mit dieser Auffassung nicht allein sein. Trotzdem, zumindest einen Freund hat er, und die Hosen an in dieser Freundschaft hat er auch. Nicht ein Wort kann sie, ohne unterbrochen zu werden, mit ihrem Zielobjekt Eugen wechseln.
Mittlerweile verzichtet sie auch auf ein heuchlerisches »Ach wirklich! Interessant! Was, 230 km/h auf der Autobahn, faszinierend!« Und diese selbst auferlegte Schweigehaft ist der Beginn allen Übels. Denn so, wie man trotz Entsetzen und Grauen den Blick nicht wegbekommt von einem aktivierten Schlachtschussapparat, einer Vierteilung oder einer Irgendwer-sucht-irgendwen-für-irgendwas-Castingshow, so starrt Sophie Widhalm gebannt auf diesen vis-à-vis sitzenden Potenzprotz, samt seinen Knickerbockern mit am Rand eingesticktem Hirschgeweih, den makellos geputzten Haferlschuhen, dem dunkelgrünen Hemd, mit diesem grün karierten Halstuch, dem protzigen Siegelring auf wulstigen Fingern, der karibischen Elektrobräune und diesem lächerlichen pseudozerzausten Haar, bei dem sich unübersehbar jede einzelne Unregelmäßigkeit genau dort befindet, wo sie mit Haargel in mühevoller Detailarbeit hinarrangiert wurde. Und all das über einem derartig entstellten Gesicht! Da muss man erst einmal wegsehen können. Logisch, dass Sophie Widhalm nun nicht umhinkann, sich dem Rätsel zu widmen: »Was um Himmels willen findet Eugen von Mühlbach an Rupert von Leugendorf, und was bitte soll dieser brüderliche Auftritt?«Und so kommt es, wie es kommen muss. Denn kaum wendet sich Rupert von Leugendorf seinem Harndrang zu, diesmal in gesitteter Manier, nützt Eugen von Mühlbach die Gelegenheit der endlich kurz entstandenen Zweisamkeit. Sophie setzt die Teetasse ab und sieht ihm in die Augen. Worauf ihr erklärt wird: »Hab ich mir ja gedacht, dass du ihn mögen wirst.«
»Ja, ich liebe grünen Tee!«
Eugen lacht beinah hysterisch auf. »Ich hab es doch gesehen, Sophie. Und bitte, es ist absolut in Ordnung. Ja, es freut mich sogar!«
»Wovon sprichst du gerade, Eugen?«
»Wie fasziniert du Rupert beobachtet hast! Der ist ja ansonsten wirklich ein fescher Kerl.«
»Wie bitte!« Sophie Widhalm ist fassungslos. Zu behaupten, sie hätte eben etwas oder gar jemanden fasziniert beobachtet, bedarf ihrer Auffassung nach schon einer gepflegten Vokabelschwäche hinsichtlich der menschlichen Körpersprache oder schlichtweg einer erschreckenden Unsensibilität.
»Weißt du, Sophie, seit ich dich zum ersten Mal gesehen hab, war mir klar, mit dir kann man Pferde stehlen, und Rupert ist einfach mein bester Freund. Er wollte dich unbedingt kennenlernen!«
»Aha!«, ist alles, was Sophie herausbringt,
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