Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
Truppe aber mühte sich vergeblich ab. Noahs Mannschaft parierte jeden Angriff, fast unüberwindbar schien der das Netz behütende zwei Meter große tätowierte Ruderleibchenträger.
Seelenruhig hob er die Arme, was der dadurch im Bizepsbereich kopfstehenden, lächelnden Lolita einen scheinbaren Schmollmund abrang. Mächtig und behäbig konnte er mit einer großen Reichweite aufwarten, nahm dadurch zwar gewaltig viel Raum ein, viel Raum allerdings gewann er durch Fortbewegung nicht, dafür fehlte es ihm an Spritzigkeit, von Bücken ganz zu schweigen. Ergo kamen die Beine zwecks Ballannahme zum Einsatz. Und genau hier steckt er, der Pferdefuß des Volleyballs. Ein Ball, zwei Balleroberer. Hinten Noah und von vorne nach hinten stürmend, das Bein vorangestreckt, ein Prellbock gallischen Ausmaßes.
Allein vom Zusehen wurde dem Metzger da sterbensübel, denn der angedachte Schuss war vielmehr ein Schuss ins Knie. In diesem Fall ins Knie des jungen Noah. Schlagartig kippte er um, erhob sich wieder, doch vergeblich. Eher zurück anstatt wie vorgesehen nach vorne beugte sich das Gelenk, und ein Schmerzensschrei erschütterte die Strandidylle. Als wäre es aus Gummi, gab das Bein nach, und Noahs verschwitzter Köper landete im Sand.
Und dort liegt er jetzt.
Sofort sind Gustav Eichner, Angela, das Baby vor den Bauch gebunden, und der aus dem Wasser stürmende Rudi Szepansky vor Ort. Auch einige der Gäste erheben sich und nähern sich dem Volleyballfeld. Panik steht im Gesicht des unbeabsichtigten Übeltäters. Mühelos hebt er sein Opfer, den ohnmächtigen Jungen, hoch in seine kräftigen Arme, läuft mit ihm, gefolgt von den anderen, zum Meer und taucht unter heftiger Kritik der Zuschauer den bewusstlosen Körper ins Wasser. Mit Erfolg.
Noah kommt zu sich, setzt sich auf, die brechenden Wellen schlagen von hinten gegen seine matt herabhängenden Schultern, blass ist sein Gesicht.
Und jetzt wundert sich der aufgestandene Metzger, denn trotz des großen Sorgenkindes da am Ufer des Meeres legen die dazugehörigen Angehörigen eine Passivität, ja Hilflosigkeit an den Tag, als wären sie mehr ein Teil der Zuschauer als des Jungen. Da ist nun nicht mehr viel übrig vom zuvor noch entstandenen Eindruck einer friedvollen Familienidylle. Als Patchwork, also Flickwerk, können hier nur noch allfällige zu versorgende Sportverletzungen bezeichnet werden. Ebenso gerissen wie das scheinbare Band der Familie ist das Kreuzband in Noahs Kniegelenk, das steht fest. Noah hingegen steht alleine gar nicht mehr.
Nur noch mit fremder Hilfe kommt der Junge auf die Beine und wird, gestützt von den beiden Mädels seiner Mannschaft, ins Hotel gebracht.
Alle anderen bleiben zurück. In doch deutlichem Abstand zueinander stehen Rudi, Gustav und Angela im Sand, auch Noahs Attentäter setzt nicht hinterher.
Seltsam erscheint dem Metzger dieses regungslose Verhalten, besonders der Frau, da verfestigt sich natürlich gleich der Ansatz: Wenn Angela nicht voll Sorgen den verletzten Burschen begleitet, wird Noah wohl weder ihr Kind noch ihr Freund, vielleicht nicht einmal ein nahestehender Bekannter sein. In keinem der drei Fälle bleibt man einfach zurück und lässt die betroffene Person von zwei Fremden davonschleppen.
Ein wenig dauert es, bis Bewegung in die Runde kommt. Rudi Szepansky geht auf Gustav Eichner zu, und es sind durchaus entschlossene Schritte, die er da in den Sand setzt. Breitbeinig nimmt er vor seinem Kumpel Aufstellung, und harmonisch sieht es nicht unbedingt aus, das akustisch außer Reichweite des Metzgers nun stattfindende Gespräch.
Samariter und Placebos
»Bei dir sind doch nich mehr alle Latten am Zaun. Ick krieg det einfach nich jebacken: Jehste mit dem Jungen Ball spielen, jefährlicher jehts ja jar nich. Stell dir vor, det wär jetz dir passiert, da könnten wir die janze Jeschichte abblasen, oder soll ick det aleene durchziehen, ick bin nur ’n Fahrer!«
»Jetz scheiß di net an, is ja nix passiert!«
»Was heeßt, is nüscht passiert. Der Junge kann nich mehr loofen. Will ick ja jar nich wissen, wat aus dem jetz wird! Der braucht Hilfe!«
»Ganz genau, und die bekommt er natürlich auch, irgendwie fühl ich mich für den Unfall verantwortlich. Der Junge is also dabei!«
»Also, jetz versteh ick Bahnhof!«
»Nix Bahnhof, Auto. Wir nehmen ihn mit. Is dir das Hilfe genug?«
»Spielste jetz den heilijen Samariter, oder wat. Ick weeß ja nich, wat det fürn Heiligtum is, det deene Anjela diesem ollen Fatzke
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