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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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getrieben, das ist der in seiner Visage hinterlassene Abdruck, vorausgesetzt, die Zeiger haben deutlich die neunte Stunde des Tages überschritten. Der aktuelle Abdruck also ist der eines Polsters und eingetrockneten Speichelfadens.
    »Verzeih meinen Weckruf, ich bin gleich wieder weg«, zeigt sich der Metzger ein wenig mitleidig, »Für dich sind die zwei Semmeln und das Butterkipferl«, ein Papiersackerl wird auf einen großen, als Arbeitsplatz verwendeten Tapeziertisch gelegt, daneben der Katalog: »Und das ist für mich. Sei so lieb und sieh dir die beiden Bilder an, sag mir, wer so etwas dem Auktionshaus zum Verkauf gegeben haben könnte, im Katalog steht bei Provenienz nur Privatbesitz, das hilft mir wenig. Dann bin ich weg.«
    Eine Kaffeemaschine wird in Betrieb genommen, regungslos gewartet, bis das Gerät seine Betriebsbereitschaft signalisiert, ein erster und zweiter Kaffee heruntergelassen, wortlos dem Metzger der zweite in die Hand gedrückt und geschlürft.
    Brennheiß ist die Tasse in Willibalds Hand, groß seine Verwunderung: »Sag, hast du dir die Lippen aufspritzen lassen, wie kannst du das jetzt schon trinken?«, ebenso groß die Ignoranz.
    Schweigsam schleicht Niklas Teufel ein Weilchen orientierungslos durch das unaufgeräumte, loftartige, mit Unmengen aneinandergereiht an die Wand gelehnten Bildern gefüllte Wohnzimmer, findet endlich das Objekt der Begierde, setzt dieses auf, umgehend wieder ab, zweckentfremdet seinen Morgenmantel, putzt die Brille gründlich und nimmt schließlich vor dem Tapeziertisch Aufstellung.
    »Monster!«, stöhnt Niklas Teufel. »Um diese Zeit!«
    Dann beugt er sich vor und betrachtet das erste der beiden Bilder.
    »Klassische Moderne, Öl auf Leinwand, Schätzpreis 250000–300000 Euro, kein Wunder, bei dem Maler.«
    Er hebt den Blick und mustert den Metzger neugierig über die Oberkante seiner Brille:
    »Und warum willst du wissen, wo es herkommt, hast du im Lotto gewonnen? Willst du den Verkäufer fragen, ob er für dich noch ein paar im Keller stehen hat? Hat er, das kann ich dir versprechen.«
    Von durchaus theatralischer Länge ist die eingefügte Pause.
    »Erzähl.«
    »Willibald, also was die Malerei angeht, bist du schon ein bisserl von gestern. Eine große Sammlung dieses Künstlers befindet sich im Maiermuseum. Den Prachtbau hast du noch nie von innen gesehen, hab ich recht?«
    »Is nicht so meins, die Zeitgenössische und …«
    »Jedenfalls hättest du das Bild dann dort schon bewundern können. Und dass der Maier hin und wieder recht ertragreich ein paar Werke aus seinem Fundus abstößt, das ist in der Szene bekannt.« Dann nimmt er den auf dem Tapeziertisch liegenden Tablet-Computer, wischt ein wenig herum, öffnet die Seite des Auktionshauses und staunt: »Nicht schlecht, Frau Specht, da hat ja wer ordentlich in die Tasche gegriffen. 480000 Euro Verkaufspreis, muss ja ein echter Liebhaber sein.«
    Auch das zweite Bild liefert ähnliche Eckdaten, was beim Galeristen Teufel allerdings weniger Erstaunen als Begeisterung auslöst: »Das ist eben das Spiel mit der Kunst und das Schöne an meinem Beruf: Alles ist möglich! Und jetzt muss ich.«
    Abrupt legt Niklas Teufel eine Kehrtwendung hin und schlurft zu einer von all den hier gelagerten Bildern frei gehaltenen Tür.
    Die Tür wird geöffnet, und das bleibt sie dann auch, völlig unabhängig davon, um welche Räumlichkeit es sich dabei handelt. Den wohl intimsten Rückzugsort dieses Kulturkreises. Mag ja sein, dass andernorts im Kollektiv und ohne die geringste Scham das zuvor von der Natur Genommene und dem Körper Zugeführte nach erfolgreicher Metamorphose der Erde wieder rückübergeben wird. Hierzulande allerdings gleicht unter Erwachsenen die Idee dieses Gelasses der eines Einzelzimmers. Jetzt ist es ja ein alter Hut: Menschenkinder, bevor sie vom Mühlrad der Zivilisation endgültig vollkommen plattgedrückt werden, machen vieles von Natur aus noch richtig. Atmen zum Beispiel, sagen, was sie wollen, zeigen, was sie nicht wollen, und kaum ein Kind schließt vor Schuleintritt freiwillig die Häuseltür, maximal um sich vor einer etwaigen pädagogischen Urgewalt zu verstecken. Wie gesagt, wenn es ein Schaubild des stets im Mann steckenden Kindes gibt, dann ist das Niklas Teufel. Wobei, auf so viel Einblick ist der Metzger jetzt gar nicht neugierig, zumindest optisch, denn akustisch hat Niklas Teufel einiges zu bieten.
    »Mit Glück und Können kann man so richtig schön verdienen. Ja, und der Maier

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