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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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FBI-Beamte an sich vorbeirennen, Waffen in der Hand. Er setzte sich ebenfalls in Trab. Keller konnte er in der Menschenmenge nirgendwo erblicken. »Was ist denn passiert?« schrie er immer wieder, während er sich durch die Menge drängte. »Jackson!« rief jemand zurück. »Erschossen!« Smith hielt seine Pistole in der Hand und gebrauchte sie als Knüppel. Er fluchte und kochte, als sich die aufgestauchten Aggressionen Bahn brachen. Er merkte nicht einmal, daß er mit voller Lautstärke brüllte: »Wo ist der Schweinehund? Wo ist dieser gottverdammte Schweinehund?« Wen er damit meinte, wußte er auch nicht.
    Als der Schuß krachte, sprang der Kardinal auf und drängte die Priester auseinander, die sich sofort als lebendes Schutzschild um ihn versammelten. Mit flatterndem Ornat lief er die Stufen hinunter und drängte sich bis zu der Stelle vor, an der Jackson in der Kirchenbank lehnte. Ein stetiger Blutstrom sickerte aus dem kleinen Loch in der Schläfe.
    »Zurück!« schrie ein Kriminalbeamter den Kardinal an. »Oder soll man Sie auch erwischen?« Regazzi schien ihn gar nicht zu hören. Er trat neben Jackson und beugte sich über ihn. Die Brille zersplitterte unter seinem Fuß. Er betete und hielt die schlaffe Hand fest.
    Den wütenden Warnschrei hörte er nicht, aber Patrick Jameson, der dicht hinter ihm stand, vernahm ihn und fuhr herum. Smith hatte gerade den äußeren Rand der Gruppe erreicht, die sich um die Kirchenbank drängte. Der Lärm wurde lauter, gelegentlich unterbrochen von hysterischem Schluchzen und den Rufen nach einem Arzt. Diese Aufwallung der Gefühle traf Smith mit der Wucht einer mächtigen Woge. Die allgemeine Erregung prasselte an ihm hoch und zerrte an seinen eigenen Gefühlen. Er war kein Anhänger Jacksons. Er hatte sich überhaupt nie um Politik gekümmert und seit dem Krieg auch nicht mehr die Mühe gemacht, zu einer Wahl zu gehen. Aber wenn es schon nichts gab, was er liebte, so war doch sein Leben voll Haß, voll offener Rechnungen, voller Nasen, die er gern einschlagen wollte, voller Körper, die er nur zu gern mit Blei vollgepumpt hätte, Institutionen, die er vernichten wollte. Er sah das scharlachrote Gewand des Kardinals, das Jackson halb verdeckte. Er sah, wie er sich über den kraftlosen weißgrauen Kopf beugte, und plötzlich ging in seinem Gehirn etwas entzwei. Es war wie ein überspanntes Seil, das reißt und zurückschnellt, das ringsum alles niedermäht, bis es schlaff und nutzlos auf dem Boden liegenbleibt.
    Er hob seine Pistole und brüllte: »Du Hund, du elender Niggerfreund …« In diesem Augenblick drehte sich Jameson um. Er dachte nicht lange nach, sondern sprang mit der unglaublichen Beweglichkeit eines alten Mannes auf, der seine letzte Kraftreserven mobilisiert. Die für Martino Regazzi bestimmte Kugel traf ihn in die Brust.
    Der Ausgang zur 50. Straße war unbewacht. Keller hatte ihn fast schon erreicht, da holten ihn zwei Beamte ein, die an der Sakristei Wache gestanden hatten.
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Einen Arzt holen«, antwortete Keller. »Er lebt noch. Ich muß da durch. Alle anderen Ausgänge sind blockiert.« Von diesem Bluff hing sein Leben ab. »Da unten geht's zu wie in einem Irrenhaus.«
    »Ich gehe«, sagte einer der Männer. »Bewachen Sie hier die Tür.« Als er den Ausgang öffnete, erblickte Keller für eine Sekunde den zweiten Mann, der draußen stand. Er wartete über eine Minute lang. Dann zog er die Pistole wieder aus der Tasche und packte sie am Lauf. Als er die Tür öffnete, drehte sich der Posten um.
    »Hier darf niemand 'raus«, sagte der Mann. Keller rührte sich nicht. Der Posten reagierte genau wie erwartet: Er trat näher. Er rechnete mit nichts Bösem.
    »Kommt der Doktor schon?«
    Er sah suchend auf die Straße hinaus und wandte Keller den Rücken zu. Der Kolben der kleinen Pistole krachte auf seinen Kopf herab. Im Nu lag das Gewand des Meßdieners in einer Ecke. Keller ging einfach weg und bog in die Madison Avenue ein.
    Es war 11 Uhr 20. Die Sonne schien, aber es war kalt, und ein eisiger Wind fegte in unangenehmen Böen durch die Straßen. Das Café, in dem er das Geld versteckt hatte, lag nur wenige Minuten entfernt an der Madison Avenue. Aber am Ende der Straße sah er eine dichte Menschenmenge vor sich, und darüber blitzten die roten Lichter von Krankenwagen und Polizei. Sirenen heulten immer lauter, je näher er kam. Hinter der Wasserspülung einer Toilette waren fünfundzwanzigtausend Dollar versteckt. Aber sie wurden

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