Der Meuchelmord
Cameron gehört haben.«
»Der Name sagt mir nichts. Erzähl mir mehr über ihn. Ist er reich?«
»Er ist einer der reichsten Männer der Welt«, sagte Elizabeth. Sie sah, wie er ohne zu schlucken den Kaffee hinuntergoß, und lächelte. »Er ist hundert Millionen Dollar schwer oder noch reicher. Er besitzt einige Zeitungen und Fernsehstationen, Grundstücke, Ölquellen, eine Fluggesellschaft – und was weiß ich sonst noch. Auch in der Politik spielt er eine große Rolle. Er ist sehr mächtig.«
»Dann könnte er doch Präsident werden«, sagte Keller bedächtig.
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Das hat er nie gewollt. Aber er hat es sich plötzlich in den Kopf gesetzt, einem anderen auf den Präsidentenstuhl zu verhelfen. Ich glaube, daß es ihm mehr Spaß macht, im Hintergrund zu bleiben und an den Fäden zu ziehen. Er hat sich entschlossen, Casey zu unterstützen. Den kennst du doch sicher?«
»Nein«, sagte Keller. Er dachte scharf nach, während er dem Mädchen zuhörte. Ihr blondes Haar hatte er längst vergessen, er achtete nicht auf die helle Haut im Ausschnitt ihres Hausmantels. Er dachte jetzt nur an ihren reichen Onkel, der in der Politik eine große Rolle spielte. Wenn er ihm sein Ziel vorschreiben wollte, dann hätte er niemals die eigene Nichte eingesetzt. Aber wenn er nun selbst das Ziel war? Nein, das klang unlogisch.
»Darf ich dich etwas fragen?« Er trank seinen Kaffee aus und sah Elizabeth abwartend an. »Weshalb bist du hergekommen? Du hast gesagt, du weißt es nicht, aber das ist nicht wahr. Weshalb bist du nun wirklich nach Amerika gekommen?«
Ihre direkte Art überraschte ihn. Sie stellte ganz arglos eine Frage und erwartete eine Antwort darauf. Aber vielleicht waren die amerikanischen Frauen so. Vielleicht redeten sie mit ihren Männern, weil sie sich gleichberechtigt fühlten.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Und du solltest nicht immer wieder fragen, das habe ich dir schon einmal gesagt. Je weniger du von mir weißt, um so besser ist es. Es könnte ja sein, daß ich selbst in Schwierigkeiten gerate.«
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Elizabeth. Zum erstenmal fiel ihm auf, was für ein hübsches Lachen sie hatte. »Du kennst meinen Onkel nicht. Wenn er dich unter seine Fittiche nimmt, kann niemand dir etwas anhaben.«
»Das höre ich gern«, sagte Keller. »Es tut gut.«
»Lassen wir einmal den Paß«, fuhr sie fort. »Was bist du nun wirklich – ein Franzose?«
Er nickte. »Ich bin zumindest zur Hälfte Franzose. Mein Vater war vermutlich Deutscher, aber das weiß ich nicht genau. Ich kam in ein Waisenhaus, und dort konnte man mir nicht viel über meine Herkunft sagen. Ich weiß nur, daß ich ein Bastard bin.«
»Also sind wir alle beide Waisenkinder«, sagte Elizabeth. »Meine Eltern sind vor zwei Jahren umgekommen. Ich habe nur meinen Onkel, und obwohl ich ihn mag, ist er bestimmt nicht ein zweiter Vater für mich.«
»Du hast deine Eltern geliebt«, sagte er. »Du mußt als Kind sehr glücklich gewesen sein. Das sieht man dir an.«
»Inwiefern?«
»Du hast etwas an dir, das sagt: Die ganze Welt gehört mir! Ich dachte zuerst, es läge am Geld. Aber jetzt glaube ich, daß es deine glückliche Kindheit war. Und du hast ein Recht darauf, so auszusehen.«
»Nein«, murmelte sie, »das stimmt nicht. Wenn meine Kindheit glücklich war, dann habe ich es nur einem einzigen Menschen zu verdanken: meiner Mutter. Die war immer für mich da, soweit ich mich zurückerinnern kann. Sie war ein lieber Mensch, interessant, künstlerisch begabt – ich begreife heute noch nicht, warum sie meinen Vater heiratete! Er war ein typischer Cameron, genau wie mein Onkel. Für ihn existierte nur das Geschäft und das Geld. Er bewunderte meine Mutter, aber die beiden waren durch Welten getrennt. Außer mir hatten sie nichts gemeinsam.«
»Vielleicht hat deine Mutter ihn geliebt«, sagte Keller. Er mußte plötzlich an Souha denken. »Frauen können lieben, auch wenn darin kein Sinn zu sehen ist. Für manche Männer ist das ganz schön. Für deinen Vater zum Beispiel.«
»Ich glaube nicht, daß sie ihn geliebt hat«, sagte Elizabeth. »Aber sie war zu gütig, um es ihn fühlen zu lassen. So war sie nun einmal. Die Camerons fühlen sich über normale Menschen erhaben. Sie denken nicht darüber nach, ob jemand sie liebt oder nicht. Das setzen sie einfach als selbstverständlich voraus.«
»Bist du auch so?«
»Nein«, sagte sie. »Nein, ich gebe mich keinen Illusionen hin, was
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