Der Meuchelmord
Besser für dich.«
»Bitte, geh nicht.« Sie stand dicht vor ihm. Er sah auf sie herab und merkte, daß sich ihre Augen mit Tränen gefüllt hatten. »Geh bitte nicht weg, ich möchte es nicht. Ich weiß, was es bedeutet, wenn du bleibst, aber es ist mir gleichgültig. Verstehst du? Was geschehen könnte, ist mir ganz gleichgültig. Ich liebe dich nämlich.«
Sie streckte ihre Hand aus, und er hielt sie fest. Sie drängten aufeinander zu, und er legte beide Arme um sie.
»Das darfst du nicht sagen«, murmelte er. »Du weißt ja nichts von mir. Du weißt nicht, wovon du sprichst. Du mußt dir einen anständigen Mann suchen, einen zum Heiraten.« Er strich ihr mit einer Hand das blonde Haar aus dem Gesicht. »Wenn ich jemals den Kerl erwische, der dich verlassen hat, dann schlage ich ihm den Schädel ein.«
»Das brauchst du nicht«, sagte Elizabeth ruhig. »Ich habe gedacht, daß ich ihn liebe. Ich habe gedacht, das Zusammensein mit ihm wäre das Richtige, das Echte. Aber jetzt weiß ich, daß ich mich getäuscht habe. Ich glaube, du bist der einzige echte Mann, der mir in meinem ganzen Leben begegnet ist. Wenn ich an ihn denke, wünsche ich mir nur, es wäre niemals geschehen.«
»Wenn du schon deinen netten, ordentlichen Amerikaner bedauerst«, sagte Keller, »um wieviel mehr wirst du dann erst mich bedauern?«
Sie legte ihm beide Arme um den Hals. Sofort packte er sie fester und drückte sie an sich.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Elizabeth. »Wenn ich dich verliere, dann wahrscheinlich für immer.«
»Woher hast du diese Male?« fragte Elizabeth und beugte sich über ihn. Mit dem Finger fuhr sie die tiefen Narben an der Seite seines Brustkorbs nach. Schüchternheit und Hemmungen waren von ihr abgefallen. Mit jedem Tag lernte sie mehr über die Liebe. Es war nicht nur die Leidenschaft; auch die entspannte Zufriedenheit gehörte dazu, dicht nebeneinanderzuliegen und sich im matten Lampenlicht zu unterhalten. Wenn er sie nach der Vereinigung küßte, wiegte er sie manchmal in seinen Armen in den Schlaf. Matthews war nachher nie zärtlich gewesen. Er hatte sich immer rasch von ihr gelöst und Witze gerissen, als hätte er Angst davor, ernstgenommen zu werden. Bei diesem Mann war alles anders. Er setzte sich aus Widersprüchen zusammen und konnte leidenschaftlich fordernd sein, aber auch schweigend und zärtlich. Sie liebte ihn mit jedem Tag mehr. Kaum zu glauben, daß sie sich erst vor einer Woche nähergekommen waren.
Sie wiederholte ihre Frage.
»Erzähl mir doch, woher du diese Narben hast.«
Er zeigte mit dem Finger auf ein dick geschwollenes Mal, das von seiner linken Schulter abwärts verlief. »Das habe ich von einer Rauferei in einem Bordell von Algier.«
»Über das Bordell will ich nichts hören«, sagte Elizabeth. »Aber erzähl mir von der Rauferei.«
»Wir hatten einen deutschen Legionär dabei. Er nannte sich Beloff«, sagte Keller. »Aber das war nicht sein richtiger Name. Er war ein ganz gemeiner Schweinehund. Er haßte mich ebenso wie ich ihn. Angeblich war er früher mal Offizier bei der SS. Wir haben uns wegen einer der Huren gestritten. Aber er war kein Offizier – dafür konnte er viel zu gut Fußtritte verteilen. Doch ich konnte es noch besser, da griff er nach einer Flasche und zerschlug sie.«
»Bitte nicht«, flüsterte sie und schloß die Augen, weil sie die Vorstellung von dem scharfkantigen Glas nicht ertragen konnte. »Bitte nicht.«
Keller lachte. »Er lag einen Monat lang im Lazarett«, fuhr er fort. »Wenn er ein Kriegsverbrecher war, habe ich ihm noch einen Gefallen getan. Seine eigene Mutter hätte ihn nicht wiedererkannt. Es waren ohnehin die meisten von uns davongelaufene Deutsche. Die Unteroffiziere waren Franzosen, aber das waren genauso gemeine Schweinehunde.«
»Du warst also in der Fremdenlegion?« Sie richtete sich auf und sah ihn an. »Das kann ich nicht glauben. Ich habe dich immer für eine Gestalt gehalten, wie man sie in Filmen mit Gary Cooper sieht.«
»Und was glaubst du wohl, wer vor Dien Bien Phu gekämpft hat?«
Sie schüttelte den Kopf und lächelte. »Nie gehört.«
»Das Land heißt Vietnam«, sagte Keller. »Das wirst du doch wohl schon gehört haben. Dort habe ich mir die zwei Löcher hier zugezogen.«
Er legte ihre Finger an seine Rippen. »In Saigon habe ich drei Monate im Krankenhaus gelegen. Dann hatte ich die Nase voll, ich desertierte. Mein ganzes Leben lang habe ich die Welt immer nur aus der Gosse gesehen. Deshalb wollte ich
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