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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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es öffnen, aber es klemmte. Trotzdem hörte er durch das geschlossene Fenster das Grollen und Dröhnen des Verkehrs, das Durcheinander menschlicher Laute. Er verstaute seine Sachen im Schrank, setzte sich aufs Bett und suchte nach einer Zigarette. Da er nichts anderes zu tun hatte, war er wehrlos gegen Elizabeth. Wenn er die Augen schloß, betrat sie das schäbige Zimmer und stand so wirklich vor ihm, daß er nur die Hand auszustrecken brauchte. Der Mann am Telefon hatte ihm befohlen, zu verschwinden, während sie einkaufen war, und dafür zu sorgen, daß sie ihn nicht wieder auffinden konnte. Keller hatte gehorcht. Aber er hatte ihr zum Abschied Blumen geschickt. Am Abend zuvor hatte er ihr erklärt, daß er sie liebte. Er hatte von einem Teil seines Geldes gelbe Rosen gekauft und sich dabei gleichzeitig überlegt, daß er von dem Preis der Blumen einen Monat lang leben konnte. Er sehnte sich so sehr nach ihr, daß sein ganzer Körper schmerzte.
    Sie hatte wenig Erfahrung in der Liebe. Sie war hilflos und ungeschickt, ganz auf sein Können angewiesen. Dieses Können hatte er von Huren, die das Wort Liebe gleichzeitig mit dem Preis im Munde führten. Elizabeth war nicht arm, sie brauchte ihn nicht wie Souha. Sie würde ihm niemals bedingungslos wie ein Kind nachlaufen, immer im Abstand von zehn Schritten. Sie würde die Erinnerung an ihn schon überwinden, sich damit abfinden, daß er nicht wiederkam, sich das blonde Haar wieder hochstecken und mit irgendwelchen flotten Amerikanern ausgehen, die keine Ahnung davon hatten, wie man in ihr die Liebe entzünden konnte. Allein der Gedanke, ein anderer Mann könnte sie berühren, den Mund küssen, den er geküßt hatte, mit ihrem schönen Haar spielen, mit ihr in den Armen warm und zufrieden einschlafen, machte ihn fast verrückt. Er lief in dem Zimmer auf und ab und versuchte diese Phantasien zu verdrängen. Wo zum Teufel war seine Kälte, seine Gleichgültigkeit geblieben? Souha hatte er aus Mitleid zu sich genommen, aber jetzt hielt ihn das Fieber der Leidenschaft gepackt. Er setzte sich wieder. Er durfte nicht mehr an sie denken, weil er wußte, daß sie einander nie wiedersehen würden. Er mußte sich beherrschen, die Sehnsucht nach ihr verbannen, diese Sehnsucht, die ihn zu einem armen verlorenen Tier machte. Er mußte ihre Augen vergessen, ihr Lachen, ihre glatte Haut, ihren weichen, fast jungfräulichen Körper. Eine Frau wie Elizabeth war nichts für ihn. Bisher hatte er diesen Typ immer nur in großen Autos vorbeifahren sehen, aber er war ihnen nie nähergekommen. Nun war ihm der Zufall behilflich gewesen. Für einen kurzen Augenblick war ihm der Zutritt durch ein goldenes Tor erlaubt worden, aber nun hatte es sich wieder geschlossen, und er stand draußen wie vorher. Er war da, wohin er gehörte: in einem tristen Zimmer mitten unter seinesgleichen. Elizabeth war für immer verloren. Auch der Mann, der an ihrer Seite gelebt und gelernt hatte, daß man einen anderen Menschen lieben konnte, war verschwunden – fort für immer. Jetzt mußte er sich innerlich darauf vorbereiten, für Geld zu töten. Vielleicht half es ihm, an das Geld zu denken und sie zu vergessen, bis er selbst glaubte, daß es nicht mehr war als ein Phantasiegebilde, daß er sie ebenso vergessen würde, wie er fürchtete, daß auch sie ihn vergaß. Das Geld! Er legte sich aufs Bett und streifte die Schuhe ab. Ja, er dachte an das Geld: Fünfzigtausend Dollar waren ein Vermögen. Vielleicht nicht hier in Amerika, wo man so viel für ein Bild ausgibt und es dann auf die Toilette hängt. Aber in Beirut konnte er fürstlich davon leben. Er konnte seinem arabischen Mädchen schöne Kleider kaufen, sie elegant und geschmackvoll herrichten und vielleicht auch bei ihr die Art von Liebe finden, die er bei Elizabeth entdeckt hatte. Vielleicht ließ sich dieses Glück, über das er durch Zufall gestolpert war, kaufen.
    Er trat ans Fenster und sah hinaus. Der Mann am Telefon hatte gesagt, es würde nicht lange dauern. Elizabeth hatte ihn King genannt, Eddi King. Aber gegenüber Keller hatte er keinen Namen erwähnt. Er hatte nur seine Befehle erteilt: »Weg von hier, jede Verbindung mit Miß Cameron abbrechen. Davon hängt die Auszahlung ab. Gehen Sie zu dieser und jener Adresse und warten Sie. Bleiben Sie im Zimmer. Man wird sich bald mit Ihnen in Verbindung setzen.« Dann war die Leitung wieder tot. Keller ließ den Vorhang fallen. Er trat ins Zimmer zurück und legte sich aufs Bett. Denk an das Geld!

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