Der Meuchelmord
den Fortgang der Bauarbeiten inspizieren wollte, wurden Steine auf sie geworfen. Sie lebte mit Huntley ein Jahr lang im Waldorf Astoria. Den beiden wurden Mordanschläge angedroht, und manche Zeitungen, die nicht Huntley gehörten, berichteten, sie hätte Angst, ihre Zimmerflucht zu verlassen, und stehe ständig unter Beruhigungsmitteln. Ob sie nun tatsächlich die Schuld an Freemont trug, ließ sich niemals eindeutig feststellen. Keiner wagte es, Huntley direkt danach zu fragen. Sie lebte auch nie auf dem Schloß, weil sich Huntley noch vor dessen Vollendung von ihr scheiden ließ.
Das Schloß war Huntleys ganze Leidenschaft. Hier fand er Ruhe und Erholung von der anstrengenden Tätigkeit, die darin bestand, sein Geld und seine Macht fortlaufend zu mehren. Für ihn war Freemont ein Riesenspielzeug. Er dementierte niemals das Gerücht, er hätte es nur bauen lassen, um den Zeitungskönig William Randolph Hearst zu ärgern, dessen Schloß aus Spanien importiert worden war. Im Gegensatz zu Hearst, seinem erbittersten Gegner, kaufte Huntley seine Kunstschätze nie en bloc ein. Es gab keine Kisten voller Renaissance-Statuen und kostbarer Gobelins, und im Keller wurden keine Leonardos gestapelt. Huntley wählte jedes einzelne Stück persönlich aus, kümmerte sich um die Aufstellung oder Aufhängung und ließ dabei keine Kleinigkeit aus. Die drei Frauen, die er im Laufe der nachfolgenden zwanzig Jahre heiratete, durften kein einziges Bild aufhängen, keinen Vorhangstoff selbst aussuchen.
Die Gärten von Freemont waren genauso sehenswert wie das Schloß selbst. Huntley liebte die Abwechslung; alles, was zu einem Riesenbesitz gehörte, wurde en miniature in Freemont nachgebildet. Hier gab es ein Rhododendrongebüsch, einen künstlichen See mit einem Pavillon, zu dessen Besichtigung er eigens bis nach Florenz reiste, ein Gewächshaus voller Orchideen, einen kleinen Wald mit einem Wildbach, in dem Forellen gediehen, und schließlich hinter dem Schloß, versteckt hinter einer fünf Meter hohen Mauer, ein riesiger geheizter Swimmingpool.
Elizabeth kannte Freemont zu genau, um noch den Ekel zu empfinden, der jeden halbwegs gebildeten Besucher im ersten Augenblick packte. Diese vulgäre Angeberei, die widerliche Zurschaustellung, das gehörte einfach zu Huntley Cameron. Auch ihr Vater war ähnlich veranlagt gewesen, obgleich er relativ bescheiden gelebt und sich nie um die Meinung anderer gekümmert hatte. Ihre Mutter hatte einmal gesagt, Freemont sei das schlimmste Verbrechen gegen den guten Geschmack, das sich Huntley jemals hatte zuschulden kommen lassen. Jedesmal, wenn sie hierherkam, wurde sie mit Kuchen und Eiskrem gefüttert. Sogar die Kloketten waren noch aus Gold und handgeschmiedet. Elizabeth war derselben Meinung wie ihre Mutter, aber es war ihr einfach nicht wichtig genug. Freemont war das getreue Abbild von Huntley Cameron: überlebensgroß, mit normalen Maßstäben nicht zu messen, abscheulich und doch unwiderstehlich. Nur Huntley konnte es fertigbringen, einem solchen Besitz einen guten alten neuenglischen Namen zu geben. Im Augenblick hatte er keine Frau, sondern nur eine Geliebte, die sich seit drei Jahren an ihn klammerte und immer noch die Hoffnung nährte, er könnte es sich eines Tages vielleicht doch anders überlegen und sie heiraten. Sie hieß Dallas Jay und hatte als Sängerin in einem Nachtklub in Los Angeles gearbeitet. Keiner wußte, wann und wo Huntley sie kennengelernt hatte; er besuchte niemals Nachtklubs. Aber eines Tages tauchte sie in Freemont auf, wurde mit Pelzen und Schmuck überhäuft, bekam ein eigenes Dienstmädchen und wurde bei Bedarf durch einen elektrischen Summer in Huntleys Schlafzimmer beordert. Elizabeth hatte sie seit mehreren Wochen nicht mehr gesehen, weil sie in Florida Urlaub machte, bevor Elizabeth mit King nach Beirut reiste. Huntley schränkte ihre Bewegungsfreiheit in keiner Weise ein: Dallas konnte gehen, wohin sie wollte, ausgehen, soviel sie wollte, aber falls sie einmal mit einem Mann erwischt werden sollte, flog sie hochkant hinaus. Da ihr sämtliche Klatschkolumnisten und Skandalblättchen nachspionierten, war Dallas in diesen drei Jahren nie vom rechten Wege abgewichen.
Elizabeth fuhr langsamer, als sie sich den hohen schmiedeeisernen Toren von Schloß Freemont näherte. Der Torwächter erkannte ihren Wagen. Er inspizierte ihn genau und setzte dann die Elektromotoren in Betrieb, durch die sich die Tore des Schlosses öffneten. Von hier aus bestand eine
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