Der Meuchelmord
eine Menge riskierst und daß ich dich nicht im Stich lassen darf. Deshalb habe ich diesen Mann mitgebracht.«
»Aber niemand hat dich mit ihm in Verbindung gebracht.« Er überlegte die Konsequenzen dieser unfaßbaren Verbindung, die King zwischen ihm und dem Mörder Jacksons hergestellt hatte. Die eigene Nichte! Seine Nichte hatte den Mörder ins Land gebracht. Aber ehe er sich nach dem Motiv fragte, mußte er ganz genau wissen, inwieweit er nun in die Sache verwickelt war und wie groß die Gefahr war, daß man ihm auf die Schliche kam.
»Ihr seid zusammen gereist, aber du hast ihn auf dem Flughafen zurückgelassen, wie?«
»Nein«, antwortete Elizabeth. »Ich habe ihn nicht dort zurückgelassen. Er wurde nämlich nicht abgeholt und wußte nicht, wohin er sich wenden sollte. Er hat die letzten zwei Wochen in meiner Wohnung verbracht, bis King aus Deutschland zurückkam. Dann erst hat er ihn abholen lassen.«
»Du hast ihn zwei Wochen lang bei dir untergebracht?« Er konnte es kaum fassen. Er starrte sie an, und sein Gehirn reagierte nicht einmal auf die Warnzeichen, die seine Nerven aussandten. Das war unmöglich. Unglaublich!
»Warum ist er hier, Huntley?« fragte sie ruhig. Nun war der Augenblick gekommen. Wenn er immer noch nicht antwortete, was durchaus möglich war, dann kam Eddi King ins Spiel. Das machte ihr jetzt echte Angst.
»Was hat King dir denn gesagt? Er hat dir doch etwas erzählt, nicht wahr?« Er tastete sich vor, weil er nicht wußte, wieviel sie kannte oder auch nur ahnte. Zwei Wochen lang war sie allein mit diesem Mann gewesen. Und in diesen zwei Wochen hatte sie irgend etwas erfahren. Deshalb war sie nach Freemont gekommen: Sie wollte es ihm ins Gesicht schleudern.
»Er hat mir eine Menge Lügen aufgetischt«, antwortete Elizabeth. Sie fühlte sich seltsam gelassen. Jetzt war es Huntley Cameron, der Angst hatte. In den letzten Minuten war er um Jahre gealtert. »Er wollte mir weismachen, dieser Mann hätte mit der Maffia, Rauschgift, leichten Mädchen und dergleichen zu tun. Heute abend im Gewächshaus hat er mir praktisch vor deiner Nase die unglaublichsten und dümmsten Lügen erzählt. Und ich mußte ihm noch einmal versprechen, daß du nie etwas davon erfahren würdest, daß ich mit der Sache zu tun habe.«
»Du behauptest, es waren Lügen.« Huntley wußte genau, daß es nur ein dünner Strohhalm war, aber er griff verzweifelt danach. »Woher willst du denn wissen, daß er nicht die Wahrheit gesagt hat?«
»Weil ich den Mann kenne«, entgegnete sie. »Er hat mir einiges über sich erzählt. Er ist Berufssoldat und hat nichts mit dem organisierten Verbrechen zu tun.«
Sie wartete, aber er sagte nichts. Sie nahm eine Zigarette aus der goldenen Fabergé-Dose und zündete sie an.
»Ich gehe zur Polizei, Onkel.« Es war das erstemal, daß sie ihn mit ›Onkel‹ anredete. »Ich will meine Hände reinwaschen. Also sag mir lieber die Wahrheit.«
»Was den Mann betrifft, hast du recht.« Er goß sich einen zweiten Whisky ein und trank ihn mit einem Schluck. »Er ist kein Gangster, sondern ein Berufskiller. Was ist denn eigentlich los? Er hat in diesen zwei Wochen doch nicht etwa mit dir geschlafen?« Er stieß ein kurzes, unangenehmes Lachen aus. In diesem Augenblick haßte er sie. Sie hatte ihm die Stirn geboten, und die alte Fabel, daß man auf diese Weise das Herz eines Tyrannen gewinnen konnte, ist eben nichts weiter als eine Fabel. Sein Schuß ging ins Schwarze. Er las es in ihren Augen. »Ein Killer«, wiederholte Huntley. »Ein Kerl, der für ein paar tausend Dollar jemandem eine Kugel durch den Kopf jagt. Und wie war es? Anders als bei anderen Männern? Erregt es dich, wenn du daran denkst?«
»Wen wolltest du denn töten lassen?« fragte sie. »Du bist der Mörder, Huntley, nicht er. Du und Eddi King. Um wen geht es?«
»Wenn du zur Polizei gehst«, sagte er, »weißt du genau, was dabei herauskommt. Möglich, daß du dich aus der Sache herausreden kannst. Aber wenn sie dich erst einmal an der Angel haben, wird es nicht so leicht sein, die Unschuld vom Lande zu spielen. Aber überlegen wir doch einmal, was dann passiert: Ich werde verhaftet, King wird verhaftet und dieser Mann auch. Alles kommt heraus, Elizabeth: meine Rolle, Kings Rolle und deine kleine Romanze mit dem Berufskiller. Genau das erreichst du, wenn du zur Polizei läufst.« Er goß sich noch einen Whisky ein, lehnte sich zurück und redete scheinbar ernsthaft auf sie ein. Sie konnte ohnehin nicht zur Polizei
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