Der Meuchelmord
du denn nicht, daß es dafür zu spät ist? Der Präsident hat Magenkrebs, und niemand weiß es bisher. Die Zeit reicht einfach nicht, um Casey oder Jackson einzuholen. Diesen Gauner können wir uns nicht leisten.« Er senkte seine Stimme und fuhr wie im Selbstgespräch fort: »Wie zum Teufel käme ich sonst darauf, für Casey und diesen Scheißsozialismus einzutreten, wenn ich nicht die einzig mögliche Alternative kennen würde? Glaub mir, Jackson wird nicht kandidieren.«
»Aber du kannst doch deshalb nicht einfach einen Menschen umbringen«, sagte sie. »Das geht doch nicht, Onkel.«
»Ein Menschenleben«, sagte Huntley kalt. »Auf der einen Seite ein billiger kleiner Gauner, auf der anderen Seite ein Bürgerkrieg Schwarz gegen Weiß, der Ruin für uns alle. Willst du New York in Flammen sehen? Und nicht nur New York, sondern die Hälfte aller amerikanischen Städte? Willst du den Kommunismus ins Land holen? Das bedeutet dieser Jackson nämlich auf lange Sicht. Du hältst mich für einen Wirrkopf, wie? Für einen von diesen reichen Männern, die eine krankhafte Angst vor den Roten haben?« Wieder stieß er dieses unangenehme, höhnische Lachen aus wie vorhin, als er über sie und Keller sprach. »Wenn das stimmte, würde ich nicht Casey unterstützen. Ich sehe nämlich ein Stück weiter. Nur so bin ich das geworden, was ich heute bin. Ich habe dir gesagt, daß Jackson nicht kandidieren wird. Keine Sorge – was Eddi King arrangiert hat, ist vorbei. Aber ich habe sechs Monate Zeit, um meine eigenen Vorbereitungen zu treffen. Du kannst mich nicht daran hindern.«
»Nein, ich kann dich nicht daran hindern«, sagte sie langsam. »Wenn du einen Mord begehen willst, wirst du das tun, egal was ich dazu sage. Ich weiß nur, daß es nicht die richtige Lösung ist. Was hast du mit Eddi King vor? Warum versucht er nur, dich mit dem Attentat in Verbindung zu bringen?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Huntley. Er beugte sich vor und faltete seine alten knochigen Hände um ein Knie. »Vielleicht Erpressung. Vielleicht erklärt er mir, du steckst bis an den Hals mit drin, und legt mir Daumenschrauben an. Ich meine – nachdem Jackson und dieser Kerl erledigt sind. Wahrscheinlich glaubt er, daß er mich auf diese Weise für den Rest meines Lebens fertigmachen kann.«
»Was heißt das – erledigen?« Sie mußte sich anstrengen, damit ihre Stimme nicht zitterte. Ihm schien es gleichgültig zu sein. Er überlegte bereits, auf welche Weise King die belastende Geschichte vom Aufenthalt dieses Mannes in Elizabeths Wohnung ausnutzen würde. Er sah sie nicht einmal an, als sie diese Frage stellte.
»Er wird umgelegt, sobald er seinen Auftrag ausgeführt hat«, sagte er. »Auch dafür wird King sorgen. Wir wollten nicht das Risiko eingehen, daß er geschnappt wird und den Mund aufmacht. Herrgott, wenn ich nur wüßte – worüber er geredet haben könnte.«
»Ich gehe jetzt schlafen«, murmelte Elizabeth, »mir ist hundeelend.«
»Du hältst deinen Mund.« Huntley Cameron hob den Kopf. Er machte sich ihretwegen keine Sorgen mehr. Sie würde schon nichts sagen. Sie würde es nie wagen, ihn und sich selbst zu vernichten. Wie zum Teufel hatte sie es nur fertiggebracht, ihn das auch nur für ein paar Minuten annehmen zu lassen? »Du solltest verreisen«, sagte er. »Fahr irgendwohin, weit weg. Inzwischen werde ich hier den Schlamassel bereinigen.«
Sie verließ ihn und ging den Korridor entlang zu ihrem eigenen Zimmer. Nach dem Attentat auf Jackson wollten sie Keller töten. Ein schrecklicher Gedanke. Sie öffnete ihre Tür. Das Schloß klickte. Das winzige Geräusch hallte unnatürlich laut durch die Stille, die auf Freemont lastete.
Unten auf der Treppe blieb King lauschend stehen. Er hatte einen Arm um Dallas gelegt. Auf dem dicken Teppich waren seine Schritte und die der betrunkenen Frau nicht zu hören. Oben wurde eine Tür ins Schloß gezogen. Er wußte, daß Elizabeth in ihr Zimmer zurückgekehrt war.
Normalerweise schlief er sehr gut. Normalerweise wäre er jetzt zu Bett gegangen und hätte vielleicht noch eine Weile gelesen, bevor er die Lampe ausschaltete, aber er konnte sich einfach nicht entspannen. Er zog sich aus und wanderte nervös in seinem Zimmer hin und her. Seine Gedanken kreisten um Huntley Cameron und diesen verdammten französischen Kriminalfilm, den er sich nun schon zum x-tenmal hatte ansehen müssen. Gott sei Dank war es nicht schon wieder ›Vom Winde verweht‹. Es war schon ein Uhr morgens,
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