Der mieseste aller Krieger - Roman
Bogen überspannte.
»Ich hoffe, wir meinen auch das Gleiche, wenn wir von Ehre reden«, sagte sie noch, als sie dem Befehlshaber bereits den Rücken zugekehrt hatte.
»Sie haben nachgegeben!«, verkündete der Priester den kriegerischen Arbeitern. »Sie werden niemanden mehr töten. Und morgen werden sie Kartoffeln und Hühner für die Suppenküche spenden!«
Die Menge jubelte und lief, zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis, zur Gewerkschaftszentrale zurück. Der Aufstand schien ein friedliches Ende zu nehmen. Der Priester umarmte die Tita wegen des errungenen Sieges, allein, sie traute dem ausgehandelten Frieden nicht.
Unterdessen betrat López-Cuervo II die Kaserne.
»Sie haben Glück gehabt, Chef. Diese Wilden hätten Ihnen die Kehle durchschneiden können«, empfing ihn Major Apablaza.
López-Cuervo II schenkte ihm einen müden Blick.
»Ich kenne sie besser als du! Diese Leute trifft keine Schuld am Verhalten ihrer Anführer. Die sind es, die die Probleme bereiten und dann als Erste von der Bildfläche verschwinden.«
»Was ist denn passiert?«, fragte Major Apablaza.
»Nichts. Es klingt schrecklich, wenn ich das sage, aber es ist nichts passiert«, versicherte López-Cuervo II.
Er gab sofort Befehl, zum Bahnhof zurückzukehren. Doch vorher ließ er die Munition wieder in die Kisten räumen. Apablaza verzichtete darauf, ihm weitere Fragen zu stellen.
Sinnend blickte der Sohn des Satans aus dem Fenster. Er meinte immer noch, Titas grüne Augen auf dem fernen Schlachtfeld leuchten zu sehen.
Arche Noah, Oktober 1939
Eine Woche nachdem die Lorenzona Gott Alzamora aufgesucht hatte, der Besuch, den die Trini von ihrem Versteck unterm Bett aus belauscht hatte, tauchte das Mannweib bei mir auf. Die große Frage lautete immer noch, wer für den Tod des Paares verantwortlich war.
Ich war gerade dabei, das Arche Noah für den Abend zu öffnen. Weißer Staub drang jedes Mal ins Lokal, wenn jemand auf der Straße vorbeiritt. Die Mädchen waren noch nicht da, so dass ich die Gelegenheit nutzte, um die Spuren der letzten Nacht wegzufegen. In einer Ecke schnarchte ein Trunkenbold, das Hemd nass vom Schnaps. Ich stieß ihn mit dem Fuß an. Damals hatte ich Angst, dass einer von ihnen dort verrecken könnte, denn so schlecht, wie López-Cuervo II auf mich zu sprechen war, hätte er mich irgendwann beschuldigt, einen Gast vergiftet zu haben. Vor allem, nachdem er mir, ohne Erfolg, einen falschen Beweis untergeschoben hatte, damit ich den Mord an Sofanor und der Inglesa gestand.
Und wie ich so saubermachte und den letzten Strolch aufscheuchte, spürte ich plötzlich, dass jemand hinter mir stand. Ein unangenehmer Geruch nach Schweinestall stach mir in die Nase. Erschrocken schnellte ich herum –vor mir stand die Lorenzona. Ich muss gestehen, dass ihre wuchtige Erscheinung mich derart ängstigte, dass ich einen Schritt zurückwich. Ich hatte davon gehört, wie sie in das Zimmer von Pater Alzamora eingedrungen war. Die Trini hatte berichtet, dass die Stiefel der Lorenzona mit getrockneten Blutspritzern bedeckt gewesen seien, auch die Narben auf ihren knochigen Händen hatte sie gesehen. All das ließ auf ihre Anwesenheit in dem Zimmer im Chanchoquín schließen, so glaubte inzwischen López-Cuervo II, da ich ihm ja als Hauptverdächtiger abhanden gekommen war. Unwillkürlich durchfuhr mich ein Schauder vom Kopf bis hinunter in die Fußsohlen. Ich wagte nicht, den Mund aufzumachen, so dass sie als Erste das Wort ergriff:
»Ich will wissen, was mit Sofanor passiert ist. Er hat versprochen, er würde mich besuchen, aber der Pfaffe, dieses Großmaul, hat mir erzählt, er sei letzte Woche gestorben. Stimmt das? Vielleicht kannst du mir etwas dazu sagen …«
Ich brachte kein Wort hervor, aber mein Gesichtsausdruck muss Bände gesprochen haben.
»Erzähl mir, was passiert ist!« Sie packte mich am Kragen, wobei sie mir das Hemd zerknitterte. Dann kam sie mit ihrem stoppeligen Gesicht ganz nah an meins, und ich dachte schon, sie würde das Krummmesser aus ihrem Gürtel ziehen und mir die Kehle durchschneiden.
»Sprich endlich! Wo ist Sofanor? Was ist mit ihm passiert?«
Ich zappelte mit den Füßen in der Luft.
»Es mag seltsam klingen, aber der Pfaffe hat die Wahrheit gesagt. Sofanor ist tot«, keuchte ich.
Die Lorenzona ließ mein Hemd los und stellte mich wieder auf dem Boden ab. Sie war leichenblass geworden. Mit starrem Blick donnerte sie:
»Das kann nicht sein. Sofanor konnte man nicht töten.«
Ich erzählte
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