Der mieseste aller Krieger - Roman
ihr, dass man ihn in einem Zimmer des Chanchoquín mit einem Loch in der Stirn gefunden habe. Die Lorenzona sah mich so durchdringend an, als hätte ich ihr etwas angetan. Meine zitternden Knie ließen mich fürchten, sie würden den Rest meines Körpers nicht mehr lange tragen.
»Wer hat ihn erschossen?«, fragte sie.
»Das weiß man nicht. Man weiß nur, dass er mit einem Schuss aus seinem eigenen Revolver getötet wurde. Sie haben dich in Verdacht, aber es heißt auch, er könne sich selbst umgebracht haben.«
»Mich? Jetzt verstehe ich, warum so viele Reiter mir auf den Fersen sind. Haben die den Verstand verloren?«
Eine Weile herrschte bleiernes Schweigen. Ich war nicht sicher, ob draußen, vor dem Fenster, nicht ein Geier mit seinen schwarzen Schwingen flatterte.
»Und die Inglesa?«, rief sie plötzlich in die Stille hinein. »Wo war die Inglesa?«
»Sie war bei ihm.«
»Dann hat sie ihn getötet. Dieses Biest!«
»Nein, sie ist ebenfalls tot. Man hat dort beide tot aufgefunden. Deshalb denken sie, jemand sei durchs Fenster eingestiegen und habe sie umgebracht.«
»Und dieses Biest, wurde die auch erschossen?«
»Nein. Es heißt, sie sei vergiftet worden.«
»Dann hat der Trottel das Kraut benutzt, das ich ihm gegeben habe.« Das sagte sie zu sich, so als dächte sie laut nach und als wäre ich gar nicht mehr anwesend.
»Was für ein Kraut?«, wollte ich wissen.
Die Lorenzona ging zur Tür, ihre Stiefelabsätze hallten auf dem unebenen Bodenbelag. Sie schaute nach, ob draußen die Männer von López-Cuervo II im Anmarsch wären, und einen Moment lang schien es so, als hätte sie ihre Zunge verschluckt.
»Ich wusste doch, dass diese Hure ihm nichts als Unglück bringen würde.«
»Na ja, die Inglesa hat auch nicht mehr Glück gehabt als er.«
Ich kann nicht mit Sicherheit behaupten, dass ihr eine Träne über die Wange rann, aber ganz sicher trübte sich ihr Blick dermaßen, dass nicht einmal die starken Sonnenstrahlen von Paitanás ihr Gesicht hätten aufhellen können. Gedankenverloren wanderte sie auf und ab und verströmte dabei einen unangenehmen Geruch nach Essen, nach Blut, nach beißendem Schweiß. Noch nie hatte ich einen solchen Wert auf Sauberkeit gelegt. Ich klaubte nasse Spielkarten vom Boden auf, stellte Stühle an ihren Platz, sammelte eine Handvoll Verschlüsse von Bierflaschenein, Korken, Streichhölzer, zerdrückte Plastikbecher. Die Lorenzona stieß leise Verwünschungen gegen ihre Verfolger aus. Ich putzte mit raschen Bewegungen weiter, um mich so weit wie möglich von ihr zu entfernen. Auf einmal hielt sie inne, wie jemand, dem bewusst wird, dass ihm für immer etwas abhanden gekommen ist.
Wie ein rettender Engel tauchte dann meine Flor mit der friedlich schlummernden Tita auf dem Arm auf. Damals besuchte meine Frau mich jeden Abend, bevor unsere Arche sich mit den Strolchen füllte, einfach nur, damit wir uns gemeinsam an dem Puppengesichtchen der Kleinen erfreuen konnten.
»Woher kommt dieses Kind?«, fragte die Lorenzona.
Flor machte große Augen und drückte das Mädchen an sich, als sie diese wuchtige Frau auf sich zukommen sah.
»Man hat sie am Kircheneingang abgelegt, und der Pfarrer hat sie uns dann hergebracht«, versuchte ich, meine Frau zu beruhigen und gleichzeitig die Lorenzona zufriedenzustellen.
»Das ist aber ein sehr hellhäutiges Mädchen«, sagte sie, und Flor hoffte, sie würde nicht versuchen, es zu berühren. Und da sie gehört hatte, was man sich im Dorf über dieses Mannweib erzählte, flüchtete sie sich an meine Seite.
»Nur mit der Ruhe, Florcita, diese Frau weiß von unserer Freundschaft mit Sofanor.«
Ich legte ihr den Arm um die Schulter und konnte spüren, wie sie zitterte. Ich atmete tief durch und erklärte derLorenzona mit ruhiger Stimme, offensichtlich habe man das Kind nach Paitanás gebracht auf der Suche nach der Mutter, die, wie wir vermuteten, die Inglesa sei.
»Ist es von Sofanor?«, fragte die Lorenzona knapp.
»Das wissen wir nicht«, erwiderte ich.
Da schlug die Tita die Augen auf und strahlte das massige Piratenweib an. Der Lorenzona stockte der Atem. Man brauchte nur Titas Äuglein zu sehen, um zu erkennen, dass es die gleichen waren wie die unseres Freundes.
»Gott segne es! Dieses Kind ist von Sofanor«, rief sie. Ihrer Stimme war deutlich zu entnehmen, wie bewegt sie war.
Sie küsste Titas Händchen und verließ das Lokal ohne einen Gruß zum Abschied. Zweifellos verstand sie diese Geschichte besser als
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