Der mieseste aller Krieger - Roman
der Anblick dieser Hungerleider aus dem Norden oder Süden war lächerlich. Ungeachtet der Soldaten von López-Cuervo II machten sie sich auf die Suche nach einem Brunnen, sie waren durstig und willens, den Erstbesten für einen Schluck Wasser niederzustechen. Die Bosse erwarteten sie am Dorfeingang oder gegenüber vom Chanchoquín , um ihnen Arbeit anzubieten. Sie suchten Rekruten für die Plackerei, die bedeutete, sich zwölf Stunden lang mit Schaufeln und Hacken zu schinden. Wenn ein Hungerleider einschlug, einer, der noch keine Grubenluft geschnuppert hatte, notierte der Boss sich seinen Namen in ein Heft und händigte ihm einen kleinen Vorschuss aus, Trockenfrüchte, Ziegendörrfleisch, Kleidung, sichere Schulden, die er dann monatelang abarbeiten musste. Nachts tobten die Strolche sich dann bis zum Morgengrauen im Arche oder im Chinesenviertel aus. Deshalb – ich weiß nicht, ob ich das schon erwähnt habe – hörte dann später auch niemand den Schuss im Chanchoquín . Bei unseren Damen jedenfalls standen die Pampinos Schlange, und ich wachte über jeden Schritt dieser Habenichtse, die scharfe Machete hinter dem Tresen immer griffbereit. Sofanor hingegen interessierte nur eins: Er wollte wissen, wo zum Teufel diese Ausländerin steckte, und je heftiger er sie verfluchte, desto mehr gab er sich selbst die Schuld an ihrem Verlust. Die Cufina versuchte ihn nach allen Regeln zu trösten, mit mäßigem Erfolg.
Unterdessen arbeiteten die Matrosen und Mechaniker in hundertachtzig Kilometer Entfernung an der Reparatur der Natal Star . Wie sie die Matrosen so mit der Instandhaltung des Schiffsrumpfs aus kanarischem Pinienholz beschäftigt sah, fing die Inglesa an herumzuschnüffeln und ihnen schöne Augen zu machen, um Vertrauen zu gewinnen. Einigen war das jedoch nicht geheuer.
»Diese Frau ist gefährlich. Sie hat keine Skrupel, mit uns zu flirten, obwohl sie ein Kind von unserem Kameraden erwartet«, befand einer.
»Ich werde Ronal mal erzählen, was für eine Sorte Frau sie ist«, verkündete ein weiterer Matrose.
Aber es gab auch andere, die ihr Essen in die Kajüte brachten. Sie nutzte die Gelegenheit, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Während die Männer beim Anblick ihres üppigen Dekolletés dahinschmolzen, erkundigte sie sich nach der Aufteilung der Kajüten, der Funktion eines jeden Matrosen bei der bevorstehenden sechzigtägigen Überfahrt nach England und nach den sichersten Stellen auf dem Schiff, möglichen Nischen für einen Tresor. Sie wagte es sogar, sich zu den Pokerrunden zu gesellen, die in der Bar stattfanden, wo weibliche Gäste eigentlich keinen Zutritt hatten, unter dem Vorwand, sie habe Angst, allein in der Kajüte zu bleiben, das Ächzen des Holzes erschrecke sie jedes Mal zu Tode. Obwohl einige ihr Benehmen nicht billigten, hinderte sie keiner daran, sich dort aufzuhalten. Sie war schließlich die Frau ihres Kameraden, und obwohl sie sich einem anderen Matrosen auf den Schoß setzte, sagtman, sie habe Ronal Glück gebracht, er habe mehrere Partien gewonnen.
Überaus fleißig stellte sie ihre Nachforschungen an und bekam Antworten auf ihre brennenden Fragen.
»Der Kapitän trägt die Schlüssel seiner Kajüte, den vom Tresor, der Bar und all der Dinge, an die wir nicht herankommen sollen, immer bei sich. Ich habe noch nie einen dieser Schlüssel gesehen«, sagte etwa der Matrose, dem sie sich auf den Schoß gesetzt hatte.
»Und wenn sie ihn ausrauben?«, gab sie zu bedenken.
»Na, Pech gehabt, denke ich«, sagte der Matrose.
»Nein, nein«, meinte ein anderer. »Bestimmt hat der Kapitän jeweils einen Zweitschlüssel in seiner Kajüte. Der ist ja nicht blöd.«
»Warum interessierst du dich überhaupt dafür, wo diese Schlüssel sind?«, wollte der erste Matrose wissen.
»Ach, ich weiß nicht. Einfach nur, um etwas zu sagen«, erklärte sie mit Unschuldsmiene und sanftem Augenaufschlag.
Am selben Abend kam Sofanor ins Arche Noah und bat mich, ihm Geld zu leihen. Er erzählte mir, er habe es verloren, weil alle Welt ihn ausnehme, sobald er einschlafe. Was stimmte: Mitten auf dem Straßenfest hatte man ihn einmal sogar seiner Hosen beraubt, als er gerade einen Rausch ausschlief. Und weil mein Freund grundsätzlich keine Unterwäsche trug, lag er danach vom Bauchnabel abwärts splitterfasernackt da, mit Ausnahme seiner Cowboystiefel, in denen er das wenige Geld verstaute, das ernoch besaß. Nur an seinen Revolver, den er so eifersüchtig hütete und mit dem er selbst im Rausch
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