Der mieseste Liebhaber der Welt
der sie in einem Berliner Hotelpool anstarrte, mit dem Journalisten in Verbindung brachte, der sie
am Vortag zu ihrem neuen Film interviewt hatte? Das Gespräch dauerte (von ihrer Agentin handgestoppte) siebeneinhalb Minuten,
um genau zu sein, und ich saß zusammen mit vier weiteren Filmjournalisten aus Dänemark, Albanien, Japan und Frankreich an
einem runden Tisch um sie herum. (Es
gibt
albanische Filmjournalisten.) So eine Veranstaltung nennt sich
Junket
und hat mit einem journalistischen Meinungsaustausch so viel zu tun wie ein Hotdog mit einem Dinner. Ich hatte Zeit für genau
drei Fragen, eine davon formulierte ich ein wenig
kritisch
. Vielleicht hatte sie das ja beeindruckt. Ich war schließlich offiziell Filmliebhaber. Angestellt im Kulturteil eines Frauenmagazins
und auf die Berlinale geschickt worden, weil ich der Einzige in der Redaktion war, dem man hin und wieder einen deutschen
Film zumuten konnte, während sich meine Kolleginnen schon im Februar mit Sonnencreme für die Filmfestivals in Cannes und Venedig
eindeckten. Schade, dass ich die Filmschauspielerin nicht einfach auf der internen Leitung des Hotels anrufen konnte, um mein
Problem direkt anzusprechen.
»Was würdest du tun, wenn du in Julia Roberts verliebt wärst?«, fragte ich den Barmann. Das war selbstverständlich eine rein
hypothetische Frage, ich war schließlich gerade glücklich liiert. Aber hier ging es um Szenarien in einem Paralleluniversum.
»Ich würde mir einen Termin bei einem guten Arzt besorgen«, antwortete er, ohne eine Miene zu verziehen. Am Tresen war nur
mäßig Betrieb, die Meute war entweder schon im Bett oder hing ein paar Meter weiter in der »Paris Bar«herum, es gab erstaunlich wenig Alternativen dazu in einer Stadt, die erst vor ein paar Monaten ihre Grenzen erweitert hatte.
»Wie ist dein Name?«, fragte ich den Barmann. Ich musste die Geschichte mit Julia Roberts irgendwie ausdiskutieren. Zumal
ich für mein Magazin auch hin und wieder Kolumnen darüber verfasste, wie es sich anfühlte, die begehrtesten Frauen der Welt
zu treffen. (Aus der Warte des Hofnarren.)
»Frank«, antwortete er sachlich, und: »Noch einen Gin Lemon?«
»Ja, mach mal«, antwortete ich salopp. Ich war in aufgeräumter Stimmung, obwohl ich schon seit einer Woche im kalten, windigen
Berlin herumhing und hustete. Tagsüber sah ich zwei bis drei Filme und führte Interviews, wenn ich (beziehungsweise das Heft,
für das ich arbeitete) dafür
nominiert
worden war. Falls ich eine der Einladungen zu den Premierenpartys ergattert hatte, die von Filmverleihen und Produzenten verteilt
wurden wie Fleißkärtchen, betrank ich mich dort auf Kosten der deutschen Filmförderung mit meinen ebenfalls erkälteten Kollegen
und fiel anschließend todmüde ins Bett. Die Tage unterschieden sich nicht sonderlich voneinander, die Filmbilder und die Fetzen
meines realen Lebens vermischten sich zu einem amorphen Brei in blassen Farben. Nur Julia Roberts und ihr breites, überlebensgroßes
Lächeln im Pool ließen mir keine Ruhe. Zum Glück gibt es Hotelbars, in denen man alleine trinken kann, ohne sich wie ein Freak
zu fühlen.
»Noch einen Gin Lemon, Frank!«
Mein neuer Freund ließ sich nicht lange bitten.
»Glaubst du, so ein Filmstar würde ein Date mit einem«– ich malte Anführungszeichen in die Luft – »Normalsterblichen überhaupt
in Erwägung ziehen?«
Frank runzelte die Stirn, als habe er so eine interessanteFrage schon lange nicht mehr gehört. Diese Barmänner in den internationalen Hotels verstehen ihren Job, davon kann man ausgehen.
»Warum nicht …«, antwortete er schließlich vage, »allerdings dürfte die Chance so groß sein, wie mit einem Trabbi ein Formel- 1-Rennen zu gewinnen.« Trabbis waren in dieser Stadt gerade das dritte große Thema, neben Julia Roberts und den langen Ossi-Schlangen
vor »Beate Uhse«
.
»Du meinst, da müssten schon alle anderen Karren von der Piste geschossen werden?«
Er nickte.
»So etwas in der Art. Vielleicht haben Sie ja Glück und Ihr Flugzeug stürzt ab, in dem sie zufällig auch sitzt. Wenn Sie dann
auf einer einsamen Insel notlanden, müssen Sie nur noch die Typen aus der First und Business Class aus dem Weg schaffen. Das
würde wohl mittelfristig Ihre Chancen erhöhen.«
»Aha, mittelfristig.«
Ich starrte in mein Glas und klimperte mit den Eisstückchen.
»Willst du damit sagen, dass sich Julia Roberts auf der Insel eher einen Dildo
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