Der mieseste Liebhaber der Welt
Überschrift lautete: »Was läuft da zwischen Julia Roberts und diesem Unbekannten?« Aus dem Text ging hervor, dass
die berühmte Filmschauspielerin nach ihrem offiziellen Programm Ostberlin besucht hatte – in Begleitung. Dabei handelte es
sich wohl um einen Deutschen, den Mitarbeiter eines Filmverleihs. Ein Nobody. Als ich das las, fiel mir ein, warum mir sein
Foto so bekannt vorkam: Der Typ zeigte uns in München hin und wieder Filme seiner Company in Pressevorführungen, ein paar
Wochen, bevor sie ins Kino kamen. Ich fasste es nicht.
Dieser Typ
und Julia Roberts
?
Frank brachte mir das Aspirin.
»Scheint so, als ob sie sich tatsächlich mit
Normalsterblichen
einlässt.« Er ahmte meine Anführungszeichen in der Luft von gestern nach.
»Da haben wir sie ja beide unterschätzt, was?«
»Offenbar, stimmt«, antwortete ich müde, »ich werd’s als Erstes meiner Freundin erzählen, wenn sie gleich aus München kommt,
um meine Rechnung im Hotel zu bezahlen und sich ein paar Erklärungen von mir anzuhören.«
Frank nickte mitfühlend.
»Vielleicht doch einen Gin Lemon?«
»Mach mir lieber einen Bushmills. Doppelt.«
»Gute Entscheidung«, antwortete Frank und machte sich daran, meinen Wunsch zu erfüllen. Ich war mir da nicht so sicher. Aber
was wusste ich schon.
Monika Schulz, Detmold
»Guten Tag, Markus Stiltfang mein Name, spreche ich mit Monika Schulz?«
»Das ist richtig. Mit wem habe ich die Ehre?«
»Stiltfang, Markus. Wir haben uns zweimal getroffen, Frau Schulz, oder sollte ich sagen: Marlene?«
»Oh, ein Kunde.«
Lachen.
»Ein Kunde? Ihren Humor möchte ich haben …«
»Wenn Sie den hätten, guter Mann, dann säßen Sie jetzt hier mit mir in der JVA und nicht da, wo immer Sie sind.«
»Hamburg, mit Blick auf die Alster.«
»Wo genau?«
»Höhe Empire Riverside, vermutlich ein Einsatzgebiet von Ihnen.«
»Leider nicht, als das eröffnete, hatte man mich schon zum vierten Mal aus dem Verkehr gezogen.«
»Verstehe.«
»Darf ich fragen, wie ich Ihnen helfen kann?«
»Oh, das dürfen Sie. Immer formvollendet, das muss ich Ihnen lassen.«
»Vielen Dank, aber gerade in meiner Situation ist es wichtig, nicht aus der Form zu geraten, finden Sie nicht?«
»Das kann ich zum Glück nicht beurteilen, Frau Schulz. Darf ich Sie so nennen?«
»Kommt darauf an, wie haben Sie mich denn kennengelernt?«
»Als Marlene Monheim.«
»Dann belassen wir es doch einfach dabei, was meinen Sie?«
»Na gut … Marlene. Ich wollte Sie fragen, also anders angefangen: Für mein neues Buch – ich bin nämlich Autor, müssen Sie wissen,
ich schreibe Ratgeber.«
»Warum denn so aufgeregt, Herr …«
»Stiltfang. Aber sagen Sie einfach Markus, dann wäre es auf beiden Seiten wie in den alten Zeiten.«
»Gerne, Markus. Also?«
»Wie gesagt, ich schreibe an einem neuen Buch, und esgeht darin unter anderem … also auch … woran man einen guten Liebhaber erkennt. Also konkret darum, ob ich einer bin. Also, besser gesagt: war!«
»Markus, mein Lieber. Finden Sie wirklich, dass sich erwachsene Menschen damit beschäftigen sollten, ob sie gute Liebhaber
sind? Woran bitte erkennt man denn das? Und wozu soll es gut sein?«
»Woran man das erkennt, frage ich ja gerade Sie. Sie dürften da hinlänglich Erfahrung haben!?«
»Sie haben keine Vorstellung von meinem Job, Markus; wenn ich meinen Kunden ermöglicht hätte, ihr erotisches Repertoire auszuspielen,
dann wäre ich als Trickdiebin sicher nicht sehr erfolgreich gewesen.«
»Wie meinen Sie das denn?«
»Ich habe meine Kunden …«
»Sagen Sie ruhig Opfer …«
»Ich bevorzuge Kunden, schließlich habe ich ja auch eine Gegenleistung erbracht. Womöglich etwas überteuert und nicht direkt
so abgesprochen, aber immerhin. Jedenfalls, um den Gedanken wieder aufzugreifen: Ich habe versucht, meinen ›Gästen‹ stets
einen Schritt voraus zu sein, und habe ihnen gegeben, was sie brauchten.«
»Sie meinen, Sie haben Ihre angetrunkenen Opfer manipuliert.«
»Sind Sie Staatsanwalt? Das hört sich ja an, als ob Sie aus der Anklageschrift zitieren.«
»Nein, keine Bange, ich war nur mal live dabei, erinnern Sie sich?«
»Markus, nehmen Sie es nicht persönlich, aber alles in allem habe ich diesen Job fast zwanzig Jahre gemacht. Ich erinnere
mich nicht, nein.«
»1990, Berlinale, Schweizer Hof. Klingelt da was?«
»Da war ich drei oder vier Mal, aber ich kann beim besten Willen keine Gesichter zuordnen, tut mir
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