Der Millionär und die Nanny
Blick auf seine Nichte, die ihn aus großen Augen lächelnd ansah. „Sieht so aus, als würde Marie diese Tradition gern fortsetzen.“
„Das hört sich gut an.“
„Dann komm doch auch.“
Kurz leuchteten ihre Augen auf, und ein zögerndes Lächeln sagte ihm, dass sie sein Angebot nur zu gern annehmen würde. Doch dann wurde sie wieder ernst. „Ich glaube kaum, dass das angemessen wäre“, sagte sie etwas steif. Sie wandte sich zur Tür um. „Ich werde mich schon mal um das Frühstück kümmern, während ihr euer Buch lest.“
„Das Frühstück kann warten. Jetzt ist erst mal das Familienbett dran.“ Jack drückte Marie kurz an sich. „Habe ich nicht recht?“
Sie nickte eifrig und streckte die Ärmchen nach Annalise aus, die sichtlich im Zwiespalt war. Einerseits sehnte sie sich danach, zu den dreien ins Bett zu steigen und diese neue Erfahrung zu machen. Andererseits war sie nicht Teil der Familie und musste als Nanny einen gewissen Abstand bewahren.
„Na los, Stefano, gib deinem Herzen einen Stoß. Wir brauchen dich hier.“
Das genügte. Mit einem strahlenden Lächeln kam Annalise näher. Und als Jack den Hund beim Nackenfell gepackt hatte und ans Fußende schob, glitt sie unter die Bettdecke dicht neben Marie, die nun zwischen den beiden Erwachsenen lag.
Jack räusperte sich. „An einem kalten Wintertag machte die Zauberpuppe Nancy wieder ein kleines Mädchen ausfindig, dem sie helfen konnte.“
Marie neben ihm drückte ihre alte Puppe fest an sich. „Deine Puppe sieht ja genauso aus wie die in dem Buch“, sagte Annalise überrascht. „Heißt sie Nancy?“ Und als das Kind nickte, musste auch sie sich räuspern, so gerührt war sie. „Dann ist sie wirklich etwas Besonderes. Meinst du, dass sie dir helfen kann wie die Puppe in dem Buch?“
Wieder nickte Marie und zeigte dabei auf Madam.
„Dann glaubst du, dass Nancy dir den Hund geschickt hat?“ Als die Kleine das dritte Mal ernsthaft nickte, warf Jack einen unsicheren Blick auf Annalise. „Könnte das Probleme machen?“, fragte er leise.
„Nicht wenn sie nicht plötzlich glaubt, die Puppe könne ihr jeden Wunsch erfüllen.“
„Vielleicht tut sie das bereits.“
„Dann können wir nur hoffen, dass sie bei genügend Zuwendung allmählich begreift, dass das nur eine Fantasie ist. Mit solchen Fällen kenne ich mich leider nicht aus.“
Als Marie jetzt energisch mit ihrer kleinen Hand auf die Buchseite schlug, fuhr Jack zusammen. „Entschuldige, Häschen, es geht gleich weiter.“
Nach Jacks Geschmack ging die nächste Stunde viel zu schnell vorbei. Als die drei weiblichen „Bettgenossen“ sein Zimmer verließen, war ihm auf einmal kalt, und er fühlte sich einsam. Doch diese Familientradition würde er fortsetzen, das nahm er sich fest vor. Gerade als er aufstehen wollte, klingelte das Telefon. Derek.
„Morgen, Derek. Was gibt’s?“
„Entschuldige, dass ich so früh am Morgen anrufe, aber ich habe gerade den vorläufigen Bericht des Privatdetektivs bekommen.“
„Und? Was hat er herausgefunden?“
„Deine Ms. Stefano ist sauber, wenigstens größtenteils.“
Aus der Küche erklang Gelächter. Schnell stand Jack auf und schloss die Tür zum Flur. „Was heißt das?“
„Mit sechzehn hat sie offenbar an einer Party teilgenommen, auf der Jugendliche unerlaubt Alkohol tranken, und wurde deshalb von der Polizei festgenommen. Das hat ihr eine Eintragung verpasst, die allerdings gelöscht wurde, nachdem sie die vom Gericht angeordnete gemeinnützige Arbeit geleistet hatte. Das ist alles.“
„Wenn die Eintragung gelöscht wurde, wie bist du dann an die Information gekommen?“
„Ich habe so meine Möglichkeiten. Zu der Zeit war ihre Mutter schon tot, und der Vater war beim Militär. Er hat dann allerdings seinen Abschied eingereicht, um mehr mit der Tochter zusammen sein zu können. Jeden Sommer schickte er sie zu einer Tante, die als Lehrerin in der Nähe von Columbia lebte. Wahrscheinlich hat diese Tante auch Annalises Berufswahl beeinflusst.“
„Okay. Gibt es noch etwas, was das Jugendamt beunruhigen könnte?“
„Nein. Wahrscheinlich werden sie nicht mal das mit der Party herausfinden.“ Derek schwieg kurz und fuhr dann in einem anderen Tonfall fort: „Und wie geht’s sonst so? Kommt dein Heiratsprojekt voran?“
„Ja, schon …“
„Also bald, oder?“
„Na ja, nicht direkt bald. Aber warum drängelst du so? Gibt’s was Neues?“
„Die Locke lässt einfach keine Ruhe. Ich hab mich zwar dafür
Weitere Kostenlose Bücher