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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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Stücken für das Gelübde entschieden und er wünschte dem Freund ein erfülltes Dasein.
    Noch vor dem Mittag erreichten sie den äußeren Stadtwall. In einem leichten Trab überholten sie Händler, Bauern
und Bettler, die am Straßenrand auf das Martinstor zustrebten. Der junge Wachsoldat erkannte Heinrich und winkte sie durch. Die Straße erstreckte sich in nordsüdlicher Richtung vom Martinstor zum Christophstor. Weil heute Markt war, herrschte ein lautes Treiben.
    »Wenn du dir alles angesehen hast, gehst du die Wallstraße hinunter«, sagte Heinrich, »immer entlang des Palisadenzauns. Dann passierst du das Schwabentor, überquerst die Brücke über den Dreisamzweig, der die Kanäle bewässert, und gehst zu der Grafenmühle. Dort warte auf mich.«
    »In Ordnung«, sagte Hartmann und rutschte vom Rücken des Pferdes. Nachdem er sich vom Bruder verabschiedet hatte, schlenderte er die Marktstraße hinunter und konnte sein Glück kaum fassen. Heute war ein ganz normaler Wochentag, und er musste sich weder zum Stundengebet einfinden noch musste er irgendwelche Handarbeiten verrichten. Er konnte tun und lassen, was immer ihm einfiel.
    Hartmann verfolgte die städtischen Gepflogenheiten mit großem Interesse. Ein Händler versuchte gerade, eine vorübergehende Frau mit einem Angebot anzulocken: »Saftige Flussforellen, zwei zum Preis von einer. Ja, kommen Sie nur heran!« Auf der unteren Lade lagen Muscheln, Frösche und Schnecken bereit, die obere Lade war mit Seilen an einem Haken arretiert, um die Ware vor Niederschlägen und der Sonne zu schützen. An den Fischstand schlossen sich weitere Stände an, auf denen Tuch, Pergament, Backwaren, Keramikgefäße und Gewürze angeboten wurden.
    vielleicht finde ich etwas Schönes für Judith, dachte Hartmann.
Den ganzen Heimweg hatte er an sie denken müssen. Immer wenn er sich vorgestellt hatte, wie er den Hasgelberg hinaufsteigen und an ihre Tür klopfen würde, hatte sein Herz heftig geschlagen. Vielleicht würde er nicht ganz so aufgeregt sein, wenn er ihr bei ihrem Wiedersehen ein kleines Geschenk überreichen würde. Außerdem hätte sie bestimmt ihre Freude daran...
    Plötzlich horchte Hartmann auf: Von irgendwo erklang der Gesang eines Spielmanns. Nun würde er den Liedern zuhören können, ohne eine Bestrafung fürchten zu müssen. Mit weit ausholenden Schritten lief Hartmann auf die Musik zu. Auf Höhe des Hauptmarktes wurde das Geschiebe und Gedränge dichter. Einige Handwerker, die ihre Werkstätten am Stadtrand betrieben, boten in eigens aufgebauten Lauben ihre Waren feil. Hartmann stellte sich auf die Zehenspitzen und hielt Ausschau, aber er konnte den Spielmann nirgends entdecken.
    »Hartmann!«, ertönte es da plötzlich aus der Menge.
    Der Jüngling drehte sich um und erblickte eine junge Frau, die ihn aus Bernsteinaugen anschaute. Ihre braunen Haare waren im Nacken zu einem Schweif zusammengebunden, so dass ihr schönes und empfindsames Gesicht freilag. Das wiesengrüne Kleid untermalte die sonnengebräunte Haut. Am angewinkelten Arm trug sie einen Weidenkorb, in dem sich ihre Einkäufe befanden.
    »Judith!«, sagte Hartmann und bahnte sich einenWeg zu ihr. Fieberhaft überlegte er, wie er das Gespräch eröffnen sollte. Leider fiel ihm nichts Besseres ein, als sie zu fragen: »Was machst du hier?«
    »Geht endlich weiter«, meckerte eine dicke Bürgersfrau. »Ihr versperrt ja allen den Weg!«

    Hartmann führte Judith zur Laube eines Linnenwalkers, an der wenig Andrang herrschte. Eigentlich passte es ihm ganz gut, dass sie sich zufällig getroffen hatten, so musste er sich nicht tagelang den Kopf über den Anlass zerbrechen. »Ich bin erst heute Morgen wieder gekommen, ansonsten hätte ich schon längst bei dir vorbeigeschaut.«
    »Du bist gewachsen!«, sagte sie. »Und du hast sogar einen Bart bekommen!«
    »Ja, sieh nur! Selbst die Beinlinge Heinrichs sind mir zu kurz geworden.«
    Judiths Lippen dehnten sich zu einem Lächeln, aber es reichte nicht bis zu ihren Augen. Überhaupt hatte sie sich sehr verändert. Das Mädchenhafte hatte sie ganz abgelegt. Stattdessen sprach ein Wissen aus ihrem Gesicht, das Hartmann schon bei vielen Frauen gesehen hatte, ohne es recht deuten zu können. »Wie geht es dir?«
    »Du hast keine Ahnung, oder?«
    »Wovon? Was meinst du?«
    Ihre Lippen bebten, als könnte sie jederzeit in Tränen ausbrechen. »Wo warst du vergangenes Ostern? Ich hab auf dich gewartet!«
    »Ich wollte unbedingt kommen, vier neue Lieder hab ich mir

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