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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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dieser Entschluss sein Leben entscheidend prägen sollte.
    Vorsichtig, Schritt auf Schritt, stieg er die Treppe hoch, die auf den Wehrgang führte. Um nicht auf den vereisten Stufen auszurutschen, suchte er Halt an den schwarzen Buckelsteinquadern. Als er die Brustwehr erreichte, schnitt ihm der kalte Wind ins Gesicht. Im Tal schlängelte
sich der Fluss durch die weiße Winterlandschaft. Die umliegenden Wälder waren schneebedeckt.
    Hartmann liebte diesen Ausblick. Hoch über allem unternahm sein Geist Reisen in die Vergangenheit und in die Zukunft. Das letzte Jahr war reich an Veränderungen gewesen und eigentlich hatte sich alles zum Guten gewendet. Nur die Begegnung mit Judith beschäftigte ihn nachhaltig. Bei ihrem Abschied hatten sie kaum gewagt, einander in die Augen zu schauen. Zu gerne würde er sie besuchen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen und sich selbst von ihrem jetzigen Leben ein Bild zu machen, zu gerne würde er ihr beistehen, wenn ihr Nachteile entstanden waren, aber er befürchtete, dass sie dadurch in noch größere Schwierigkeiten geraten könnte. Die Worte des Mannes, dem sie in Freiburg auf dem Markt begegnet waren, hatten zweifellos wie eine Drohung geklungen. Heinrich, sein Bruder, hatte ihn einmal gewarnt, sich in der Stadt vor Dieben und Halsabschneidern in Acht zu nehmen. Diesem Kerl hätte er ganz sicher nicht über den Weg getraut.
    Ein Lied drang aus dem Palassaal und Hartmann konnte ihm nicht widerstehen. Obwohl seine Augenbrauen schon vereisten, tastete er sich vorsichtig die Treppe hinunter, schlich über den Burghof und setzte sich unter das Fenster. Mit klappernden Zähnen umklammerte er seine Knie und drückte sie gegen die Brust, um sich gegen den Frost ein wenig zu schützen. Zu den Klängen der Harfe sang eine Hofdame melancholische Strophen. Die Komposition war feiner als alles, was Hartmann bisher gehört hatte.
    Da schob ein Mann den Vorhang zur Seite und trat an den Rand der Freitreppe. Umständlich nestelten seine
Hände unter den Ausläufern des Rockes, bis er erleichtert aufstöhnte und sich ein dampfender Strahl in den Schnee ergoss. Hartmann drängte sich noch tiefer in den Schatten. Er hielt sogar die Luft an, damit sein weißer Atem ihn nicht verraten konnte.
    »Mein Herzog«, rief eine Stimme von drinnen, »passt nur auf, dass Euer Däumling nicht zum Eiszapfen gefriert.«
    »Ha, ha. Bist du das, Cousin...« Plötzlich verstummte der Zähringer. Ohne den Kopf abzuwenden, verstaute er sein Gehänge und stemmte die Hände in die Hüften. »Gib dich zu erkennen, Bursche!«
    Hartmann sprang auf. »Mein Herzog, Herr, ich... äh... ich wollte nicht...«
    »Nun?«
    »Ich bin der Gehilfe des notarius’.«
    »Das sehe ich, aber warum sitzt du bei dieser Kälte vor dem Palassaal?«
    »Herr, ich wollte Euch nicht zu nahetreten. Ich habe nur dem Gesang gelauscht. Das schwöre ich, so wahr ich hier stehe.«
    »Dein Vater ist ein Kriegsmann und du bist ein... Musikliebhaber! Versteh ich das richtig?«
    »Das Schwert führe ich auch.«
    »Soweit ich gehört habe, sollst du sogar aufrecht im Sattel sitzen! Spätestens beim Turnier werden wir sehen, ob du im Kampf was taugst. Und nun komm mit! Ich will nicht, dass du Fieber bekommst, ehe du meinen Feinden ins Gesicht gespuckt hast.«
    »Aber Herr, nur Edle sind zugegen.«
    »Und was bin ich?«

    »Ihr? Ihr seid der Edelste unter den Edlen!«
    »Mit Worten kannst du jedenfalls umgehen. Dem Edelsten unter den Edlen sollte doch das Recht zustehen, sich seine Gesellschaft selbst auszusuchen. Oder meinst du etwa nicht?«
    »Natürlich, Herr!«
    »Dann komm endlich!«
    Hartmann sah den Herzog mit großen Augen an. Er steckte in einem Zwiespalt, den er nicht lösen konnte. Einerseits wollte er dem Drängen des Zähringers nachgeben, andererseits wusste er nur zu gut, dass einige der Grafen die Anwesenheit eines Unfreien als Beleidigung auffassen würden. Er würde sehr wachsam sein müssen, wenn er nicht ihren Zorn auf sich ziehen wollte. Eine breite Hand legte sich auf seine Schulter und schob ihn in den Palassaal.
    »Seht nur, wen ich mitgebracht habe!«, rief der Herzog in die Runde.

2.
    Im nur wenig entfernten Aue hörte Judith, wie sich lauter werdender Hufschlag dem Anwesen näherte, und verkrampfte sich am ganzen Leib. August würde das Pferd mit Stroh abwischen, es auf dem Hof herumführen und dann in den Stall bringen. Gleich würde er zur Tür hereinkommen. Panisch sah sich die junge Frau im Haus um. Gab es etwas, das

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