Der Minnesaenger
Ihr habt selbst gesagt, dass ich auf meine Flinkheit vertrauen soll. Wenn es nach dem Anreiten zu einem Schwertkampf kommt, würde mich die schwere Rüstung nur behindern.«
Die Augen des Marschalls blitzten. »Bist du dir darüber im Klaren, dass eine Lanze das Kettenhemd durchbohren kann? Die Verletzungsgefahr bei einem geschlossenen Panzer mit Brünne, Schulterschutz, Hals- und Armschutz ist weitaus geringer.«
»Das bin ich.«
»Dann will ich dir sagen, dass ich es nicht anders machen würde. Ja, auch ich würde auf den Harnisch verzichten. Nur so ist dem Schwarzen beizukommen. Vertraue auf das, was ich dir beigebracht habe, und auf deine Flinkheit. Dann kannst du ihn besiegen.« Der Marschall drückte Hartmanns Schulter und ging davon, um die Vorbereitungen zu treffen.
»Du musst mir eins versprechen!«, sagte Burkhard und sah ihn mit großen Augen an.
»Was soll das sein?«
»Der Schwarze hat noch niemals jemanden erschlagen, der sich seiner Gnade ausgeliefert hat. Wenn er es täte, würde er nie wieder zu einem Turnier eingeladen werden. Verspreche mir, dass du nicht zu stolz sein wirst, die Waffen zu strecken, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.«
»Danke, Burkhard! Du kannst dich darauf verlassen!«
Nachdem der Herzog das Festmahl beendet hatte, begab sich Hartmann ins Gesindehaus. Der Schweineknecht schlief wie immer seinen Rausch aus; ansonsten war die Unterkunft leer. Auf seiner Bettstat lagen Kettenhemd, Handschuhe, Helm, Sporen und Beinplatten bereit. Der Stahl war auf Hochglanz poliert und reflektierte das spärlich einfallende Sonnenlicht.
Auf dem Schlosshof erklang eine markige Stimme: »Sammeln! Welfen zu mir!« Posaunen ertönten und kündeten den Auszug der Festgesellschaft an. Auch die übrigen Gäste begaben sich zum Tor und schnatterten aufgeregt durcheinander. Offenbar fieberten sie dem ersten tjost des Schwarzen entgegen.
Hartmann setzte sich hin und massierte seine Schläfen. Er wusste nur zu gut, dass der Papst überall verkünden ließ, dass die Turniere Anreiz für alle sieben Todsünden boten: Sie förderten den Stolz, denn die Teilnehmer kämpften für Lob; sie schürten den Hass, denn die Krieger strebten nach Rache für Schläge, die sie hinnehmen mussten; sie bewirkten Bitterkeit, denn wer versagte, verfiel der Niedergeschlagenheit; sie förderten die Habgier, denn die Männer kämpften, um sich gegenseitig zu berauben; Völlerei und Verschwendungssucht waren an der Tagesordnung; die Turniere galten als Jahrmarkt der Eitelkeit, denn die
Männer verließen den Pfad geistiger Werte; und sie förderten die Wollust, denn die Krieger ritten gegeneinander an, um liederlichem Weibsvolk zu gefallen.
In Bezug auf die weltliche Musik vertrat Hartmann eine andere Meinung als die Kirche, hinsichtlich der Turniere pflichtete er ihr bei. Viele gute Männer waren schon aus zweifelhaften Motiven und zur Unterhaltung des Publikums ums Leben gekommen. Auch er konnte das Streben nach Anerkennung nicht von der Hand weisen. Trotzdem würde er gegen den Schwarzen anreiten. Moralische, weltliche und geistliche Werte standen in einem Widerspruch zueinander, den er nicht auflösen konnte.
Die Tür öffnete sich und einige Bedienstete kamen herein. Eine Magd streifte eine bestickte Schürze ab; ein junger Bursche rüttelte den betrunkenen Schweineknecht wach und sagte zu ihm: »Es geht gleich los. Komm mit.«
Das Schnarchen setzte aus. »Was?Was willst du von mir? Lass mich gefälligst in Ruhe!«
Hartmann erhob sich. Er hatte die Abgeschiedenheit gesucht, um sich zu besinnen, doch jetzt war seine Ruhe empfindlich gestört. Es gab keinen Grund, um noch länger im Gesindehaus zu bleiben. Er streifte das Kettenhemd über, schnürte die Beinplatten um und zog die Handschuhe an. Den Helm klemmte er unter die Achsel, doch als er gerade nach draußen gehen wollte, stürmte die Dame Johanna herein. Die Bediensteten senkten zunächst die Köpfe, dann schauten sie ihr verstohlen nach. Man musste kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass ihr Auftauchen bei ihm bald in aller Munde sein würde. Hartmann verbeugte sich, um ihrem Besuch einen offiziellem Anstrich zu geben. Vielleicht hatte sie geglaubt, ihn alleine anzutreffen.
»Seid mir gegrüßt«, sagte er. »Hat der Herzog Euch mit einer Botschaft geschickt?«
Hartmanns Worte prallten an Johanna ab. Ihr Gesicht war von einer wilden Entschlossenheit, die vorspringende Unterlippe glänzte feucht. Mit beiden Händen griff sie nach seinem Kopf und küsste
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