Der Minus-Mann
findet den zweiten Paß in der anderen Innentasche … ›Heinz Sobota‹ steht da … Handschellen klicken … die Hände am Rücken gefesselt, führen sie mich über den Platz … es ist wieder einmal zu Ende.
Cha-cha läuft weinend neben mir. Ich schicke sie um Zigaretten. Sie kommt ins Wachzimmer, sitzt neben mir. Die Tränen fallen auf die Stahlspangen.
»Je weniger du redest, um so früher siehst du mich wieder«, sage ich, dann bringt man sie weg. Einige Minuten danach holen mich drei Kriminalbeamte und fahren mich zum Hauptquartier. Sie filzen mich, als hätte ich einen Mikrofilm an mir versteckt, nehmen mir Schuhbänder, Zigaretten und Feuerzeug, Uhr und Krawatte ab, dann führen sie mich in eine Zelle. Schlüssel klirren, ein Riegel wird vorgeschoben … ich bin wieder im Gefängnis.
Nach einigen Stunden holen sie mich. Eine Runde Beamter in Zivil. Sie sekkieren mich mit Fragen, drohen, spucken große Töne. Ich sitze, schaue Löcher in die Wand, die Zeit vergeht. Es ist halb zwölf Uhr abends. Sie zeigen mir ein unterschriebenes Geständnis von Cha-cha. Zuhälterei, Erpressung, Körperverletzung usw. Ich werfe nicht einmal einen Blick darauf. Gegen halb drei Uhr früh werden sie müde, und ich bin es auch. »Sie werden dem Landesgericht in Wien überstellt. Ein Haftbefehl liegt von dort gegen Sie vor«, sagt einer der Bullen, dann bekomme ich meine Zigaretten und Schuhbänder usw. Vier Tage bleibe ich in Wiener Neustadt, im Kreisgerichtsgefängnis, dann bringen mich drei Beamte nach Wien.
Der graue Block an der Zweierlinie, widerlich wie eh und je. Uninteressierte Fragen.
»Homs Vuastrofn«, sagt ein Kontrolleur zu mir, ein rothaariger Ladestock.
»Ja«, sage ich. Filzen und Zugangsduschen, ein steifes Leintuch zum Abtrocknen und der Hefengeruch nach Schweißfüßen und mit Ammoniak verrührter Scheiße.
»Zweiter E 167«, sagt der Beamte.
Ineinander geschachtelte Blöcke … E, A, B und Frauentrakt, Inquisitenspital … dreizehnhundert Männer, zweihundert Frauen … vierhundert Gefangene Überbelag.
»Sie bekommen drei Matratzen, die können Sie abends am Boden auflegen«, sagt der Stockbeamte.
Er sperrt in einer langen Reihe von Türen eine auf. Zwei Männer sind in dem dämmrigen, kleinen Raum. Einer kommt auf mich zu. Er gibt mir die Hand. Wir kennen uns aus der Karlau, haben nebeneinander Säcke geklebt und Pensen gestohlen. Er sitzt seit acht Monaten in Untersuchungshaft wegen Einbruchs mit Waffengebrauch. Er heißt Novak. Der zweite sitzt seit vier Monaten wegen eines Wohnungseinbruchs.
Beim anschließenden Hofgang treffe ich Unterweltprominenz. Alois Schmutzer und Heinz Karrer. Loisl stürzt sich sofort auf mich.
»Kummst zu mir auf die Zölln«, sagt er. Ich lehne dankend ab. Loisl ist ein wunderbarer Kerl, aber er hat einen Sporttick. Sein riesiger, muskelbepackter Körper braucht ununterbrochen Bewegung, stundenlang übt er Schlagkombinationen und turnt, daß die Wände zittern. Ich bin mehr für Ruhe.
Er ist nicht verstimmt.
»Bei mir hest da wenigstns des Rauchn ogwehnt«, sagt er.
Karrer ist blaß und hohlwangig. Zwei Jahre hat er in Deutschland nach einer Schießerei hinter sich, jetzt versucht man ihm einen Betrug anzuhängen … seine Frau macht Schwierigkeiten … er hat sichtlich Sorgen … selten nur flammt die alte, gefürchtete Dominanz auf … mit der er Wiens etablierter Unterwelt … der Stoßpartie des ›Gschwinden‹ den Kampf antrug und dann am hellen Tag auf der Ausstellungsstraße zu schießen begann.
Loisl ist bedrückt … das Sicherheitsbüro hat ihn auf der Abschußliste … Postraub, lautet die Anklage gegen ihn … Hauptbelastungszeuge ist ein Mittäter, ein deutscher Schwergewichtsboxer namens Adolph.
»Dera Scheißfigur homs vasprochn, daß eahms hoibate Schmoiz schenkn, waun a mi einidraht«, sinniert der Loisl und schaut auf den dritten E hoch auf die kurze Seite, dort sitzt in einer Sicherungszelle der Mörder seines Bruders … Als die beiden Schmutzer, ›Die Schmutzerbuam‹, wegen Mordverdachts an Oswald Stanka nach der Silvesterschießerei 1967 in Haft waren, führte Pockorny die Aufsicht über die Geschäfte der beiden Brüder, die Stoßpartie, die Dirnen und diverse Nebengeschäfte. Als die Brüder entlassen wurden, legte er genaue Rechnung und hatte das Recht erworben, eine eigene ›Partie‹ zu spielen. Wenige Wochen später kam es zu einer Auseinandersetzung mit Norbert Schmutzer. Pockorny zog ihm die Pistole aus dem Hosenbund und
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