Der Minus-Mann
ins Inquisitenspital, pumpt mich mit Penicillin voll. Nach zwei Tagen werde ich enthaftet, man hat mich irrtümlich zu lange in Haft behalten.
Bevor ich das Landesgericht verlasse, bin ich wieder festgenagelt, vierzehn Tage Polizeistrafe. Der Rest vom Sommer, als ich die Löffel verschluckte. Im ›Grünen Heinrich‹ auf die Rossauerlände. In Verrechnung auf die zehn Tage werden mir acht Tage Polizeihaft nachgelassen … man versucht, mir zu erklären, daß dies nur aufgrund der undurchsichtigen Zusammenziehung mehrerer Strafen erfolgt sei, und deswegen …
Ich habe in einer Woche vierzehn Kilo abgenommen und dämmere über die Zeit.
Mutter schickt mir Geld. Die 110 Schilling, mit denen sie mich entlassen haben, sind bis auf vier Schilling verbraucht. Cha-cha ist mit einem Kunden verreist, nach Toledo. Ich bringe keine fünf Liegestützen fertig.
Die Decken sind dreckig, die Zellen sind dreckig, die Menschen um mich sind dreckig, hocken ungewaschen auf den Bänken, stieren in Sexzeitschriften. Meine Haut ist dreckig, schmierig – schillinggroße Eiterbeulen auf meinem Rücken. Dann lassen sie mich hinaus … in einen grauen, dreckigen Tag. Scheiße ist da, klebt, stinkt … rinnt mir aus Augen und Mund und Schwanz. Atmen in gelbem, weichem Dreck … Kothaufen fressen und koitieren in brauner, körniger Scheiße … zum dritten Mal ohne Geld aus dem Knast.
Ich bin mager und ungeduldig. Stechende Schmerzen in der Brust, hoffentlich wächst dieses verfluchte Loch in der Lunge zusammen. Die Stadt versinkt im Regen. Ich schlage den Mantelkragen hoch und gehe zum ›Red Lion‹ in der Rotenlöwenstraße. Ich brauche eine Dirne – wie ist egal, und zum langen Herumsuchen habe ich keine Zeit. Ein Windstoß faucht über den Platz vor dem Franz-Josephs-Bahnhof. Im schwankenden Licht scheinter schwarz und riesig.
Einen Hasen mit Gewalt biegen … was, Freiheitsberaubung und Erpressung, und … Scheiße … wenn ich vorsichtig bin, kann nichts passieren … Helmut ist in Wien … ich habe ihn in der ›Rouge‹, in der ›Femina‹ gesucht, keine Spur … wo der herumkriecht … na, momentan egal.
Das Lokal, eine halbseidene Tanzbude. Ich bestelle einen Whisky und rauche. Verliebte schmieren auf der Tanzfläche ineinander. Zwei Mädchen sitzen allein und sind so häßlich, daß ich mich nicht mehr hinzuschauen getraue, ich will nicht erblinden.
Dann kommt eine Gruppe Männlein, Weiblein, laut und harmlos, leicht angetrunken. Ich gehe pinkeln und schaue mir die Weiblichkeit genauer an. Dann hole ich eine. Blond und heißarschig reibt sie sich in meinen Händen. Sie macht auf lasziv. Ich greife ihr unter den Pulli.
Meine Eier bleiben kalt. Einer der Jünglinge schaut, glasig und langsam.
»Gehört der zu dir?« frage ich. Sie dreht den Kopf, lacht, zeigt ein Herzgesicht und blanke Zähne.
»Der … ja, aber … nicht richtig«, sagt sie, und ich stecke den Finger in den Poansatz. Bei ihrem Tisch lasse ich sie los und gehe telefonieren. Der Langsamschauende zieht sie von der Tanzfläche. Er hat ein sauberes, stark gerötetes Gesicht. Sie schüttelt seine Hand ab und setzt sich. Ich versuche Helmut zu erreichen. Ich brauche eine Wohnung für das Abrichten. Seine ist geeignet, keine Nachbarn – und ein Zimmer mit einem vernagelten Fenster. Sein Vater hat ihn immer dort verprügelt und eingesperrt.
»Wenn er kommt, wird er dich zurückrufen«, sagt Alf, der Kellner im ›Winzerhaus‹.
Ich lege auf und sage der Rothaarigen hinter der Bar Bescheid. Dann hole ich mir wieder die Blonde. Sie ist reserviert und blockiert meine Hände. Anscheinend gab es eine Standpauke. Der Junge verrenkt sich den Hals. Ich trinke und warte, dann ruft Helmut an. Ich erkläre ihm den Fall.
»Die Wohnung kannst du auf eine Woche haben. Die Schlüssel schicke ich dir mit dem Taxi«, sagt er.
»Besten Dank«, sage ich.
»Paß auf und brichs ausanaunda, vakaufn kenn mas olleweu no«, sagt er.
Ich lege auf.
»Wann gehst du?« frage ich die Blonde etwas später.
»Er möchte schon gehen. Die anderen bleiben noch … und Sie?« sagt sie plötzlich förmlich. Ich verzichte auf die Antwort und halte sie weit von mir.
Dann hole ich meinen Mantel und bezahle. Die Rothaarige holt mich und ein Taxler übergibt mir die Schlüssel.
»Neunundzwanzig Schilling«, sagt er.
Ich gebe ihm fünfunddreißig und schaue ihm zu, wie er ins Auto steigt. Er fährt, die Straße ist leer.
Sie kommen. Ich ziehe einige Male schnell an meiner Zigarette. Einen
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