Der Minus-Mann
erklärt, die beiden mußten sofort zu ihrer Truppe. Er zu den Urlaubern und sie zu den Fronthuren.«
Ihr eckiges Kinn klappt herunter. Ich schiebe ihr das Geld zu und gehe. Ein schwuler Wind bläst mir gegen den Hintern. Ich kaufe mir eine Abendzeitung und setze mich in die Aida bei der Philharmonikerpassage. Eine halbe Stunde bürgerlich im Abendprogramm. Als ich den Blick hebe, um umzurühren, fällt mir beinahe die Zeitung aus der Hand. Einen halben Meter vor meinen Beinen sitzt ein Puma und betrachtet mich mit Herablassung. Ich trinke langsam und betont selbstsicher, dann winke ich dem Mädchen und bezahle eilig. Im Vorbeigehen kann ich es mir nicht verkneifen, den Kopf des Tieres zu streicheln. Der Puma schnurrt und blinzelt, sein Herr lächelt niederträchtig.
»Er ist vollkommen zahm«, sagt er, aber da wiege ich mich schon selbstbewußt in den Hüften durch die Türe.
Ich bin gelassen und heiter und glaube es sogar selbst. Liebenswürdig helfe ich einem Gehbehinderten in die Straßenbahn und einem Blinden auf den Stufen zur Operngasse. Sogar dem Schwulen, der mir in der Toilette über den Arm auf den Schwanz schaut, schlage ich keine in die Fresse, sondern sage freundlich:
»Geh, sonst stecke ich dir ein glühendes Brunnenrohr in den Arsch.«
Er verschwindet mit gekniffenen Hinterbacken.
Jasmin stöckelt fröhlich und fickbar auf der anderen Straßenseite. Harry überwacht sie diskret mit der penetranten Unaufdringlichkeit seiner auf ein Meter vierundachtzig verteilten hundertzehn Kilo. Er teilt die Menge wie ein Eisbrecher dünnes Packeis. Dann sieht er mich und stürzt über die Straße.
»Alles bestens, sie hat drei Herren gemacht. Das Geld habe ich. Zwei kleine Reibereien hat es gegeben. Du sollst zum ›Chico‹ kommen«, hastet er mir ins Gesicht. Das Mädchen steht gegenüber und schaut zu uns.
»Wenn sie herüberkommt, trete ich sie nieder«, sage ich leise, Harry springt fast aus dem Stand auf die Straße und fängt sie ab. Ich biege in den Graben ein. Gehe über den Petersplatz, die Milchgasse, ein Stück über die Tuchlauben. Kaum sind Menschen in den schmalen Gassen unterwegs. Durch die schmale, dunkle Schultergasse gehe ich zum Judenplatz. Dann setze ich mich in der Färbergasse in ein chinesisches Restaurant. Es ist idiotisch. Ich sitze an einem anderen Platz. Monate sind es her. Den ersten Stein warf ich hier ins Glashaus. Es ist plötzlich, als könnte ich hier fortsetzen, als wäre die Zwischenzeit eine böse, unwirkliche Anhäufung von Traumunrat, als wäre Stella bloß für einen Moment hinausgegangen, um zu pinkeln, und kommt gleich … Ein flachgesichtiger Asiate gibt mir die Karte. Geheimnisse, besonders gastronomische, sind mir zuwider, trotzdem esse ich ein Szechuan-Geheimnis. Es ist an mich verschwendet. Achtlos schaufle ich Morcheln und zartestes Fleisch in mich. Schnell trinke ich einige Gläser Wein.
…»wenn du mit ihr schlafen mußt, dann hast das du zu bestimmen«, sagte sie. Sie war kühl und beherrscht, voll Liebe und verletzlich.
»Ja, ich muß es tun«, sagte ich …
»Nein«, sagte die Stimme, aber ich hörte nicht hin, und der winzige Splitter aus dem Glashaus flog ihr ins Auge.
Ich sah weg.
Im Club warten meine Manuskripte und ein langhaariges Kind.
»Kann ich etwas für entlassene Strafgefangene tun«, sagt sie. Ich schaue in kohledunkle Augen auf gelblicher Haut. Das filigrane Persönchen erzählt von ihren Fähigkeiten. Einer sitzt fünf Schritte hinter ihr am Barhocker und verschlingt sie mit den Blicken. Seine Glatze spiegelt rötlich, er streicht nervös seinen Schnurrbart entlang. Das Kind plaudert, es weiß nichts von diesen Augen.
Ich kenne das Gesicht unter der Glatze. Stein – und der Bursche hat eine Schwäche, kindliche Mädchen. Ich gebe dem Kind irgendeine ausweichende Antwort. Sie ist gekränkt, kam mit einem fertigen Arbeitsplan und daß man das so und das so machen müßte.
Und dann sage ich beiläufig: »Vielleicht, ich werde es mir überlegen. Ich rufe Sie an, lassen Sie mir eine Nummer hier«, das Kind geht zur Bar und schreibt etwas auf. Danny, hinter der Bar, legt es in meine Mappe. Dann sieht mich der Glatzköpfige, er nimmt seinen Schwenker und kommt zum Tisch. Seine Hände sind feucht und schlaff, seine Augen glänzen erregt.
»Wie gefällt es dir hier«, sage ich. Er setzt zum Sprechen an, räuspert sich, dann geht er zur Bar und läßt sich das Glas mit Weinbrand vollgießen.
»Ich finde mich nicht zurecht«, sagt er und
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