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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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uns.
    Ein ›schöner Bua‹ in diesen Lebensverhältnissen ist Grund zu ständigen Reibereien. In jedem erwachen die maskulinen Instinkte Der Trieb bricht sich Bahn, lauernd, rücksichtslos, verschlagen brutal und gefährlich. Jeder versucht so ein Exemplar an sich zu binden und verwendet dafür Tricks, Geschenke und Gewalt lange Gespräche, Schutzangebot usw. Die Reihe ist lang. Ich habe einen Vorteil, jetzt, diesen Jungen betreffend. In dieser Gemeinschaft von Zuhältern, Einbrechern, Schlägern und Dieben habe ich die Führungsposition inne, und sie warten. Was werde ich tun?
    »Wie lange hast du noch«, frage ich kalt und distanziert. Ein Hinweis für die anderen. Jetzt rede ich und will auch nicht unterbrochen werden.
    »Zwölf Wochen«, sagt er.
    Er versucht, mir in die Augen zu sehen, schafft es nicht.
    »Du siehst aus wie ein Mädchen, hat dir das noch niemand gesagt«, sage ich. Meine Stimme ist nun weich, schleimig, provokant.
    »Ja, aber ich bin nicht warm«, sagt er gepreßt. Röte steigt aus seinem Hals, deckt das Gesicht. Einige lachen versteckt.
    »Schön«, sage ich, meine Hände spielen mit einer Streichholzschachtel, »du bist also nicht warm, hör zu, wenn ich dich ansehe, wird mir das Glied hart. Glaubst du, daß ich warm bin, weil ich dich ficken will?«
    Scharf getrennt fallen meine Worte auf ihn. Er blickt hoch. Momentan ist da Hilflosigkeit, die flehende Kreatur, dann arbeiten die Kiefermuskeln. Sein Gesicht ist in der Veränderung mädchenhafter als zuvor.
    Er steht abrupt auf, möchte vom Tisch gehen.
    »Bleib sitzn, bis a featichgredthot«, sagt einer der Umstehenden.
    Der Junge strafft sich, als wolle er mit Gewalt aus dem Ring der Körper und der Einengung durch den Tisch ausbrechen. Dann läßt er in jäher Resignation die Schultern fallen und setzt sich.
    »Angst – nein«, er sucht zögernd nach einer Erklärung, »aber ich mag das nicht, das Reden von den Warmen und vom Arschpudern«, sagt er.
    »Am dritten E hob i eam olleweu mitn Jolly gsegn, du waßt jo eh, wia dea olleweu hinta de Buama hea is«, sagt Anton zu mir.
    Ich trinke den Rest Kaffee, greife zu einer Zigarette. Der Junge gibt mir Feuer. Ich lasse mir Zeit, umständlich klopfe ich das eine Ende gegen meinen Fingernagel. Das Streichholz ist bis zu den Fingerspitzen des Jungen heruntergebrannt. Langsam sauge ich an der Flamme. Der Junge läßt das glühende Ende fallen und schlenkert mit den Fingern. Beppo grinst böse.
    »Mit dem Jolly warst du beisammen«, sage ich zu dem Jungen,
    »und du willst mir wahrscheinlich erzählen, daß er dich nicht ficken wollte, oder.«
    »Er hat gesagt, er nimmt mich nach Kiel mit, wenn ich herauskomme, er braucht jemand, der auf die Mädln aufpaßt, und …«, sagt er.
    »Dazu is am bestn a Mädl geeignet«, sagt ein blonder, junger Gefangener mit unreiner Haut. Höhnisch lehnt er am Stockbett neben dem Tisch.
    »Zehn Tage machst du Stubendienst, daß du dir merkst, wann du die Schnauze zu halten hast, klar«, sage ich zu ihm.
    »Aber …«, sagt er stammelnd. Die übrigen lachen unsicher.
    »Ich hab’ mir am dritten E selber einen blasen lassen, mir ist schlecht geworden dabei, und umgefallen ist er mir auch«, sagt der Junge, er holt tief Atem, »und wenn mich jemand aufs Arschpudern angeredet hat, hab’ ich zugeschlagen.«
    Anton lächelt breit zu mir.
    »Gewoittätich is ar a, na servas,a Killa, gaunz siaß vapockt«, sagt er. Alle lachen grölend. Der Junge ist blaß. Aus der Nähe sehe ich, daß er vor Wut zittert. Gehetzt sieht er mich an, dann schaut er vor sich auf den Tisch. Ich nehme das Paket Karten, mische und teile aus.
    »Du spielst mit dem Geschroppn«, sage ich zu Anton, » gegen den Karl und mich.«
    Während des Spieles wird kaum gesprochen. Wir spielen ›zensern‹, neun Spiele die Partie, dann werden die Punkte summiert. Der Junge sitzt neben mir. Er spielt unaufmerksam. Oft sieht er mich an. Ich ignoriere sein Schauen, achte auf das Spiel.
    »Heast, Gschropp, paß auf, wias d spüst, schau eam net dauand aun«, sagt Anton aufgebracht. Er hat zweimal mit starkem Blatt, wegen grober Schnitzer des Jungen, verloren.
    »Bist du nervös, oder …«, sage ich zu Anton, langsam und freundlich, »das ist das vierte Spiel, wir führen um zweihundert Punkte – das kannst du aufholen, wenn du konzentriert spielst.«
    Anton knurrt in die Haare um seinen Mund. Karl schaut mit schmalen Augen auf den Jungen.
    »Mia rutschn de Augn a olleweu von de Koatn weg«, sagt er. »Du

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