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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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mißtrauisch. Er kam in die Schweiz. Es gab einen Streit, und er wollte mich zwingen, mit ihm zurückzufahren. Ich bin untergetaucht und wenig später wurde ich wegen ein paar Prügeleien auf zehn Jahre ausgewiesen. Ich wollte das Mädchen mitbringen, aber er sagte, er würde sie und mich anzeigen. Da kam ich allein. Vor zwei Monaten ist sie nach Österreich gekommen, und wir waren ein paar Tage in Wien zusammen. Mutter bekam einen hysterischen Anfall, und ich schickte das Mädchen wieder nach Hause, sie hatte mir fünftausend Franken mitgebracht. Der Alte hat das Geld gefunden und an sie zurückgeschickt. Mutter ließ mich feierlich versprechen, mich nie mehr mit einer Dirne abzugeben, denn sie würde diese Schande nicht überleben, und ich … ich habe es versprochen … deshalb dreht der Alte durch, die Schande, verstehst du!« sagt er.
    »Und das Mädchen, was macht sie jetzt?« fragt sie.
    »Ich weiß es nicht. Der Alte sagte zu mir: ›Einige Briefe und Telegramme sind gekommen, ich habe sie alle verbrannt, ich nehme an, du bist einverstanden‹, ich sagte nichts mehr, wozu auch. Das Mädchen, sie ist Zwanzig, ich war der erste, sie mag mich sehr.«
    »Und du?« fragt sie. Er antwortet nicht. Das Lokal ist fast leer, nur von zwei Tischen an der Türe tönt Stimmengewirr. »Gehen wir«, sagt er. Er begleitet die Frau nach Hause. Vor dem Haus klammert sie sich an ihn. Sie küßt sein Gesicht, heftig preßt sie die Lippen gegen seine Haut.
    »Bleib hier, du darfst jetzt nicht nach Hause gehen. Ich habe Angst. Ich kann es nicht erklären, aber ich habe furchtbare Angst!«
    »Ich möchte nach Hause, ich bin sehr müde! Du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Du bist so verbohrt, so versperrt gegen jedes Gefühl, laß mich Angst haben, bleib da, ich will nicht, daß etwas geschieht, womit du vielleicht dein Leben zerstörst. Aber ich weiß ja gar nicht, was ich da sage. Ich liebe dich, will denn das nicht bis zu dir?«
    Sie krallt die Finger in den Revers seiner Jacke. Er löst ihren Griff, stößt sie leicht von sich.
    »Ich weiß wohl nicht, was es bedeutet, nein, es dringt nicht durch. Gute Nacht, und, danke, daß du mit mir warst.« Die Frau sieht ihm nach, wie er entlang der Bäume rasch davongeht. Sie möchte hinterherlaufen, ihn festhalten, aber dann senkt sie den Kopf und geht ins Haus. Sie weiß, er würde nicht hören. Er blickt auf seine Armbanduhr, es ist knapp nach zwei Uhr früh. Unschlüssig zögert er, als er nochmals am Gasthaus vorbeikommt. Er verhält den Schritt, zündet sich eine Zigarette an. Dumpf klingen Musik und Lachen hinter den Scheiben durch die geschlossene Türe. Dann wendet er sich ab und geht der Ortsmitte zu. Er verläßt die Straße und geht im Dunkel des Kurparks. Er kennt die Wege, rasch geht er, hohe, schwarze Sträucher sind rechts, links ein finsterer Block, der Musikpavillon. Er überquert den hell beleuchteten Hauptplatz und biegt in die Wiener Neustädterstraße ein, in der seine Eltern wohnen.
     
    Die Fenster sind dunkel. Er zieht einen Schlüsselbund aus der Tasche, schließt die Gartentüre auf, tritt ein. Die Türe bleibt offen, pendelt in den Angeln. Er geht an der fensterlosen Seitenwand des Hauses vorbei zum Hauseingang. Leise öffnet er und schließt hinter sich ab. Im dunklen Vorraum hängt er seine Jacke an die Garderobenwand.
     
    In der schmalen Küche dreht er das Licht an. Er klinkt den Eisschrank auf, nimmt eine Flasche Bier und ein Paket mit aufgeschnittener Wurst heraus. Aus einer Kredenzlade nimmt er Brot und belegt es dick mit Wurst. Aus einer anderen Lade nimmt er einen Flaschenöffner, löst den Metallverschluß und trinkt. Unabsichtlich bleibt die Lade offen. In der offenen Lade liegt auch ein hölzerner Fleischhammer mit einer schweren Metallkappe.
     
    Er beißt von dem Brot ab. Er steht mit dem Rücken zu Türe.
    »Stell die Flasche weg. Was war gestern mittag?«
    Der Vater steht hinter ihm. Der Junge dreht den Kopf. Die Lippen des Vaters sind dünn und hart, seine Stimme bebt vor unterdrückter Wut.
    »Ich hatte Streit«, sagt der Junge.
    »Wegen dieser Hure?«
    Der Junge schweigt. Er beißt von dem Brot ab, kaut, sieht den Vater an. »Seit zwölf Uhr warte ich, aber mein Sohn trinkt und treibt sich herum. Mutter kann nicht schlafen und weint. Aber dir ist das egal.«
    »Ich war mit Karin zusammen. Das hast du mir ja noch nicht verboten.«
    »Ich glaube, daß auch Karin einen schlechten Einfluß auf dich ausübt. Ich werde verhindern, daß du dich

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