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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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Landesgericht ist. Der Junge ist teilnahmslos, er scheint müde. Kurze Zeit später holt man ihn und bringt ihn nach Wien ins Gefängnis des Jugendgerichtshofes in der Rüdengasse im dritten Wiener Bezirk.
    Es ist später Abend, und er wird ohne Formalität in eine Zugangszelle auf der ersten Etage gebracht. Der Junge wirft sich auf das Bett und schläft sofort ein. Seine blutigen Hände zeichnen sich scharf vom weißen Leintuch ab – man hatte ihm nicht erlaubt, sich zu waschen.
     
    Die scharfe Glocke hat mich aus dem Schlaf gerissen. In der Ecke steht ein Waschlavoir, davor ein voller Wasserkrug. Ich ziehe mein Hemd aus – irgendwann in den Tagen haben mir die Gendarmeriebeamten Kleidungsstücke von zu Hause gebracht und Schuhe. Sorgfältig wasche ich mir das Blut von den Händen. Es klebt wie Schorf fest auf meiner Haut. Vorsichtig reibe ich mir danach das zerschlagene Gesicht mit Wasser ab. Mein Körper schmerzt bei jeder Bewegung – dann sitze ich am Bett und warte.
    Die Türe wird aufgesperrt, ein Beamter betritt den Raum.
    »Aufstehen, wenn ein Beamter in die Zelle kommt, klar!«
    Er sieht mich von Kopf bis zu den Füßen an. Ein schmächtiger Mann in grüner Uniformjacke und schwarzer Hose.
    »Ah, a bisserl gestoipat san ma a.«
    Er deutet gegen mein Gesicht. »Mocht nix, des vageht wida. In olle Zeitungen stehst, kaunst da wos eibüdn drauf.«
    Aus der Innentasche seiner Jacke zieht er ein Exemplar einer Morgenzeitung, in großen Lettern steht da …
     
    ›JUGENDLICHER WOLLTE SEINEN VATER ERMORDEN‹
     
    Eine Sensation für eine Stunde, für ein Gerede von vielen … den anderen, da draußen … ich höre sie schon sagen in ihrer selbstgerechten Entrüstung … »Wenn das mein Sohn wäre, brauchte ich keine Polizei, den würde ich eigenhändig erschlagen« … ja, natürlich, eigenhändig.
    Der Beamte geht aus der Zelle, später kommt ein anderer mit einem Gefangenen und bringt mir einen Becher Milch – das Frühstück.
    Dann werde ich geholt, – Aufnahmeformalitäten – Angaben zur Person – ja, ich war schon einmal hier in Haft, vor drei Jahren etwa. Der Ton wird plötzlich freundlicher, ach ja, ich bin ja kein Fremder mehr – gewissermaßen ein Heimgekehrter. Dann werde ich umgezogen. Blaue Schlossergarnitur, Decken, Zahnbürste und Leintücher, ein Pullover, Socken, ein paar Schuhe, ein Überrock, dann in die Zelle Nummer 21. Eckzelle der ersten Etage.
    »Arbeiten wirst du wahrscheinlich in der Werkstätte, bei den Bürstenbindern«, sagt der Etagenbeamte, dann schließt er die Zelle hinter mir ab. Ein Tisch, ein Hocker, ein Stockbett und ein Wandkästchen, – die Einrichtung. Neben der Türe ist das Klosett, daneben stehen ein Lavoir und ein Wasserkrug. Das Fenster, etwa in Hüfthöhe, mit breitem Fensterbrett und Doppelflügeln, läßt viel Licht in den Raum. Ich schaue in einen rechteckigen Hof mit Asphaltboden, der auf der linken Seite und gegenüber von dem Gebäude begrenzt ist. Die rechte Längsseite wird von einer drei Meter hohen Mauer geteilt, dahinter ist ein anderer Hof sichtbar, der ebenfalls von einer Gebäudeseite abgegrenzt ist. Auf der Mauer zwischen den beiden Höfen sind einige Lagen Stacheldraht montiert, in die Mauerkrone sind Glasscherben eingemauert.
    Das Gefängnis erstreckt sich rechtwinklig über zwei Seiten des Vierkanters, die beiden anderen Seiten sind das Gebäude des Jugendgerichtshofes .
    Die Zelle wird geöffnet. Ein Hausarbeiter drückt mir zwei Blechschalen in die Hand, das Mittagessen.
    In mir ist zerbrochenes Glas, die Gedanken knirschen über Laufbänder, ich bin unfähig, sie festzuhalten – irgendwie läuft es weiter. Und dann folgt der Abend, die Finsternis, der Schlaf. Ich bin müde, möchte keinen sehen, niemanden hören. Hier im Raum ist es gut, nichts ist laut, stört.
    Nach dem Essen kommt ein Beamter. Eine Silberplatte am Revers zeigt seinen höheren Rang. In der Hand hält er einen Schlüsselbund, die andere ist in der Tasche eines grauen Arbeitsmantels versteckt.
    »Na ja, kommst zu mir, in die Werkstätte. Du wirst dich schon eingewöhnen.«
    Ich greife nach meiner Jacke. Am Gang stehen schon etwa zwanzig Häftlinge, schauen mir entgegen und warten auf den Abmarsch. Über den Hof gehen wir dann einige Treppenstufen in ein dunkles Gewölbe. Mehrere Arbeitstische stehen da, Drahtpakete liegen herum. Ich warte, bis mir der Beamte einen Platz zuweist, dann setzt er sich zu mir und erklärt mir die Arbeit.
    Man sitzt vor einer Spindel und zieht

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