Der Minus-Mann
mitkommen?« fragt sie.
»Und dein Job?« sage ich. »Ich bekomme Urlaub«, sagt sie.
Abends massiere ich meiner Frau den stark gequollenen Bauch.
»Daß das ›Baby.‹ nicht runzelig wird«, dann liegt ihr Kopf in meiner Armbeuge … für Minuten ist es wieder gut und richtig, »… sei vorsichtig, die Löffel …«, sagt sie keuchend. Nein, nichts ist gut, nichts ist richtig. »Ich bin müde«, sage ich und drehe mich zum Schlafen. Sie weint leise an meinem Rücken.
Am anderen Tage packe ich ein paar Sachen in eine Reisetasche. Cha-cha wartet an der Ecke. Der Tag ist heiß.
»Geh’n wir baden. Wir können abends fahren«, sage ich. Das Mädchen liegt schweigend neben mir. Ich lese. Abends gehen wir ins Kino. Gegen Mitternacht sind wir auf der Autobahn. »Laß mich fahren«, sagt sie. Ich lehne mich zurück, schließe die Augen. Plötzlich ein lauter Knall. Ich fahre hoch. Der Wagen schleudert stark. Die Luft preßt scharf gegen meine Augen. Die Windschutzscheibe ist zerplatzt. Dann steht der Wagen endlich.
»Da ist etwas auf den Wagen gesprungen, ein großer Schatten«, sagt das Mädchen. Ich habe die Wagenbeleuchtung eingeschaltet. Cha-cha ist bleich, ihre Hände liegen noch immer verkrampft um das Lenkrad. Ich klettere aus dem Auto. Ein dicker Mond legt seidiges Licht auf die Szene. Ich betrachte mir den Wagen. Motorhaube eingedrückt. Der linke Kotflügel zerbeult, er blockiert den Reifen. Der Kühlergrill im Arsch. Die Stoßstange verbogen.
»Nimm die Taschenlampe, stell dich da her. Wenn ein Auto kommt, signalisierst du, und schiebe den roten Filter ein. Ich seh’ mal nach, was das war«, sage ich. Das Mädchen steigt aus. Ich gehe die Fahrbahn entlang. Nach etwa hundert Metern sehe ich eine dunkle Masse neben der Fahrbahn liegen. Ein Reh. Der Aufprall hat es getötet und mehrere Meter zurückgeschleudert. Ich kehre zum Wagen zurück.
»Ich gehe eine Telefonsäule suchen. Der Wagen muß abgeschleppt werden«, sage ich. Nach etwa dreihundert Metern finde ich das Telefon. Ich verständige die Gendarmerie. Die versprechen mir, einen Abschleppdienst mitzubringen. Kurz darauf taucht der Einsatzwagen auf. Ich zeige den Gendarmen das Reh. Einer nimmt es bei den Läufen und wirft es in den Kofferraum. Dann kommt der Abschleppwagen.
»Ein paar Kilometer von hier ist eine Fernfahrerkneipe, die sperren erst um fünf. Ich lasse Sie dort aussteigen«, sagt der Fahrer des Kranwagens,
»Verfluchte Scheiße«, sage ich. Wir haben Kaffee vor uns stehen. Um fünf setzen wir uns zur Donau. Es ist unglaublich still. Ich rauche und sehe in die aufsteigende Sonne. Das Mädchen schläft, den Kopf an meiner Schulter. Später schlendern wir zur Werkstätte.
»Richten Sie den Wagen so, daß ich damit nach Wien zurück komme«, sage ich zu den Mechanikern. Ich kaufe einen neuen Reifen, der andere ist zerschnitten. Die Stoßstange wird gebogen, der Kotflügel ein Stück ausgeklopft, eine neue Windschutzscheibe wird eingesetzt. Langsam fahren wir nach Wien.
»Das tut mir so leid, daß dir jetzt das Geschäft in Innsbruck durch die Lappen geht. Was könnte ich nur tun?« sagt Cha-cha und ist verzweifelt. Ach ja, ein Geschäft wollte ich ja abschließen.
»Ich verliere eine Menge Geld dabei, warum du Affe auch nicht aufpassen kannst beim Autofahren«, sage ich langsam.
»Hör zu, ich hänge dadurch total in der Luft, du wirst dich verdammt anstrengen müssen, um das auszubügeln«, sage ich.
»Ja, aber wie …«, sagt sie.
»Das werde ich dir zu Hause erklären, jetzt steig aus und hol mir ein halbes Kilopaket Sauerkraut«, sage ich und halte in einem Ort vor einem Lebensmittelgeschäft.
Das Mädchen schläft. Ich habe sie sofort nach der Ankunft zu Bett geschickt. Ich bringe den Wagen zur Werkstätte.
»Eine Woche wird es dauern«, sagt der Meister.
Das Mädchen schreckt auf, als ich zu ihr ins Zimmer komme. »Weißt du nicht, was hübsche Mädchen tun, wenn sie dringend Geld brauchen? Sie angeln sich einen Freund, der welches hat. Um das Verfahren abzukürzen, wirst du dir gleich mehrere angeln, verstanden?« sage ich und lege mich zu ihr. Sie gibt keine Antwort. Sie klammert sich an mich.
»Ich soll … wie eine Hure … das willst du?« sagt sie abgehackt.
»Ja, das will ich und jetzt will ich schlafen«, sage ich. Ganz leicht drückt sie ihre Zähne gegen meinen Arm, dann überrollt mich die Müdigkeit.
Gegen Abend weckt sie mich. Die Sonne verschwindet orangefarben hinter den Häusern.
Das Mädchen
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