Der Minus-Mann
kleines, ganz verschwiegenes Lokal …«
Bis dorthin war es weit, vielleicht fällt mir etwas ein.
»Wir müssen in kein Cafe gehen, ich laß mich gerne spazierenfahren«, sagt sie, der Engel. Ich bin zufrieden – pure Telepathie –, Benzin ist genug im Tank.
Sie spricht leise, sehr distanziert, dahinter zittert verhangene Traurigkeit. Ich fahre trotzdem auf den Berg. Türen schließen sich lautlos und selbstverständlich. Vorsprünge rasten in Öffnungen –ihre Sprache fließt gegen das Glas, ich rauche. Die Stadt ist blendende, funkelnde Kulisse zu unseren Füßen. Ihre Einsamkeit siebt sich aus Wörtern in mein schweigendes Warten. Es ist spät.
Langsam fahre ich gegen die Stadt. Sie küßt meinen Mund.
»Ich sehe dich morgen, dort«, sagt sie. Ein wuchtiges Tor schließt sich hinter ihr.
Meine Frau sieht aus dem Fenster. Ihr Körper ist dann fremd unter meinen Händen, alles lauwarm, gewohnt.
Ich warte auf Cha-cha, das Mädchen mit der weißen Haut, der zerbrochenen, leisen Stimme. Sie kommt, herb und spröde, silberne Lichtflocken am Kleid. Tage später liegen wir zusammen. Ich küsse über weißeste Haut, kleine, ängstliche Brüste, blaßrosa Warzen, seidigen, dunklen Flaum, duftendes, nasses Fleisch – sie vergeht vor Scham – ihr glühendes Gesicht preßt gegen meine Brust. Ihre Hände zucken vor meinem Schwanz. Lange Stunden später öffnet sie ihre Schenkel meiner Zunge.
»Du mußt mich festhalten, fest«, sagt sie.
»Du gehörst mir«, sage ich.
Tags danach treffe ich einen ehemaligen Bekannten.
»Dich sieht man nie. Bist du krank geworden?« sagt er.
»Gehn wir etwas trinken, ich hole ein Mädchen ab«, sage ich.
Wir sitzen im Arabia Cafe, am Kohlmarkt. Er hat sechs Jahre Gefängnis hinter sich, vier Jahre hat er noch bedingt.
»Du, ich bin auch verheiratet, aber da schläft dir mit der Zeit das Gesicht ein«, sagt er dann, und »arbeitest du?«
»Nicht mehr«, sage ich. Wir trinken schweigend.
»Brauchst du auch dringend Geld?« fragt er und verscheucht den aufdringlichen Kellner mit einer Handbewegung.
»Brauch ich«, sage ich.
Kurze Zeit später kommt Cha-cha. Ein violetter Supermini, die endlosen Beine auf hohen Absätzen. Schurl läßt die Ohren hängen.
»Ich gehe auf einen Sprung in die Putzerei«, sagt sie, küßt mich und geht. Alle Männer sehen etwas bei der Türe.
»Das ist ein Wuchthos, wo host de her?« sagt er zögernd, ohne den Blick von der Tür zu nehmen.
»Die ist Privateigentum«, sage ich.
»Geht in die Hockn, no ist eh kloar«, sagt er.
»Nein, sie geht nicht auf den Strich«, sage ich.
»No net, oba boid gö?« sagt er. Ich schweige. Er bestellt uns zwei weitere Bier, dann kommt das Mädchen. Ich verabschiede mich von Georg. »Wenn du Zeit hast, komm morgen ins ›Du und Ich‹ an Südtirolerplatz, so gegen drei Uhr«, sage ich. Im Gehen lege ich Cha-cha die Hand um die Schulter.
»Fahren wir mit meinem Auto«, sagt sie. Sie hat einen Peugeot 204.
»Gut«, sage ich.
Wir fahren in den Prater, sitzen uns gegenüber, trinken Rotwein. »Ich muß dann meine Frau abholen. Ich nehm dich ein Stück mit. Es dauert bloß eine Stunde, dann hole ich dich ab, und wir nehmen deinen Wagen«, sage ich.
Ich habe einen Liter Wein in mir und Kopfschmerzen. Von der Kaiserallee biege ich in die Rustenschacherallee ein. Vor mir fahren langsam einige Autos. Ich schere auf die linke Straßenseite und beginne zu überholen. Am unteren Ende der Allee, vor der Prater Hauptallee ist eine scharfe Linkskurve. Ich gebe mehr Gas, um auch den vordersten der Kolonne überholen zu können. Ein Wagen kommt mir rasch entgegen, dann bin ich auf der rechten Seite. Durch den Schwung des Einscherens komme ich mit dem rechten Hinterrad von der dort stark plombierten Fahrbahn. Der Wagen schleudert nach rechts gegen einen Baum. Mit einem Knall zersplittert die Windschutzscheibe, der rechte Türpfosten wird eingedrückt. Die Wucht des Aufpralls schleudert den Wagen auf die linke Fahrbahnseite. Ein Mercedes kracht gegen die Vorderseite meines kreisenden Autos und wird aus der Fahrbahn gedrängt. Cha-cha schreit auf. Ein zweiter entgegenkommender Wagen streift mein Auto. Dann stoppt ein riesiger Baum das Karussell, der Kofferraum ist bis zur Heckscheibe eingedrückt. Cha-cha ist grau im Gesicht. Ich streichle ihr Haar.
»Steck den Führerschein und die Papiere ein und warte zu Hause, bis ich dich anrufe.«
»Reiß dich zusammen«, sage ich, dann ersuche ich einen der Umstehenden, meine
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