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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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bringt dich schon hoch, du verhungerter Wilder.« Ich bin begraben unter Fleisch und einer ranzigen Votze, dann gewöhne ich mich an das Lecken und an das Arschficken: »Feste … ich mag’s in den Aaarsch … fest« – Ich habe Geld und genug zu trinken, und Mahmed, Sandras Freund aus der Berberkneipe gegenüber unserem Hotel, lehrt mich mit dem Messer umgehen.
    Die FLN ist aktiv, und ich gerate in eine Razzia. Zwei Tage später schmeißen sie mich aus dem Gefängnis und sagen mir, ich solle mir einen Paß besorgen. Ich gehe zurück zu Sandra und de$ Wanzen, dem Absinth und der stinkenden Fleischgrube zwischen ihren Beinen.
    Ich fahre nach Lyon, spaziere entlang der Rhone. Dann steh’ ich an der Straße und stoppe Autos – Richtung Paris. Spät in der Nacht hält ein Jaguar, der Fahrer winkt mir freundlich zu, und ich bin mißtrauisch – zu Recht. Er tätschelt an meinem Schenkel, dann will er mich küssen. »Willst du nicht anhalten?« frage ich und ziere mich. Er hält. Es ist kurz nach Salon-sur-Yonne – ich steche ihm das Messer in den Bauch. Es gleitet hinein wie in frische Scheiße, dann brüllt er, und ich ziehe ihm die Brieftasche aus dem Rock – siebenhundert Neue Franc sind darin –, einen Tag gehe ich durch den Wald, dann steige ich in den Zug und fahre nach Paris.
    St. Germain de Pres, Algerier, lichtlose Bars, hin und wieder Essen, dann keines.
    Ein paar Tage schlafe ich in einem Hotel am Boulevard Perreire, dann verlangt der Patron ein Ausweispapier, und ich verschwinde über die Hintertreppe. Es ist spät im Mai, und ich schlafe an der Seine, breche Autos auf, und jeden Morgen bin ich in ›den Hallen‹. Manchmal ist Sonntag, und ich bin allein.
    Einige Tage später gerate ich in eine Razzia. Ein schmales Gäßchen, Rue Martin, hinter der Gare de l’Est. Ich bekomme einen Schlag über den Arm. »Allez, allez«, brüllen die Polizisten und treiben und prügeln die Passanten in die Wagen.
    In der Ecke der Polizeiwachstube ein Gitterkäfig. Zwei mal zwei Meter im Quadrat, drei Meter hoch. Dreißig Leute sind hineingepreßt. Männer und Frauen durcheinander. Der Reihe nach werden sie durchsucht und verhört. Einige können gehen. Der Rest bleibt, Stunden vergehen, dann abends wieder in die Wagen. In die ›Surete‹.
    Männer und Frauen werden getrennt. Fünfzig Frauen stopft man in die engen Zellen. Es gibt ein Stück Weißbrot und Wasser. Alles trinkt hintereinander aus demselben Becher. Am anderen Tag komme ich zu einem Dolmetscher.
    »Wie heißen Sie«, fragt er, und »aus welchem Land kommen Sie?« Er spricht Deutsch ohne Akzent. An einem anderen Schreibtisch randaliert eine Hure. Ich gebe keine Antwort.
    »Maison d’ Arret de la Sante«, sagt der Dolmetscher. Der Uniformierte daneben nickt.
    Wieder in den Wagen. Blechverdeckte Einzelabteile, schmale Sehschlitze für den Wärter. Schier endlos rumpelt der Wagen durch die Straßen. Dann ist die Tür offen, ich stehe in einem Gefängnishof. Graurote Mauern und eine Postenkette. Schlagstöcke in den Händen, weiße Schulterriemen, weiße Gürtel und hohle, blaue Käppis.
    »Zweite Abteilung, erste Etage, Zelle sechsundfünfzig«, sagt der Beamte in der Aufnahme.
    Zwei Glasschüsseln, zwei braune, dünne Decken, ein Kopfpolster. Durch den Duschraum gehe ich in die angegebene Abteilung. Düster die hohe Halle, Laufgänge, scheinbar himmelhoch, Schatten entlang der Wände, Gefangene, im Hellen die Wärter. Dunkelblaue Uniformen, silberne Fünfzacksterne an den Kragenaufschlägen und am Vorderrand der niedrigen Tellerkappen. Irgendwo ein Schreien, es versickert in dem endlosen Gang. Ein Beamter sperrt die Zelle auf. Sechs Quadratmeter, verfliest, ein Klappbett, ebenso Tisch und Klappstuhl mit Ketten an die Wand genietet. Ein Wandkästchen, die Klosettmuschel links neben dem Eingang, das Fenster in zwei Meter Höhe.
    Täglich Einzelspaziergang, links und rechts Betonwände, die beiden anderen Seiten massive Stahlgitter mit einem kleinen Einlaß. Einmal wöchentlich Bad in einer Einzelkabine. Dreimal am Tag sehe ich andere Menschen, wenn mir das Essen durch eine schmale Luke in der Türe gereicht wird. Untertags ist das Bett an die Wand hochgeklappt und versperrt. Nach einer Woche bekomme ich zwei französische Bücher. Die Zeit steht still und Wochen vergehen, dann Monate. Niemand spricht mit mir. Die Wärter haben abweisende Gesichter, ein schmaler Streifen Himmel ist zu sehen. Ich weiß nicht, was man mir vorwirft. Nach drei Monaten holt man

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