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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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Gesicht.
    »Wenn die Kleine kommt, schick sie sofort zum Auto«, sage ich. Wir geben uns die Hand. Meine Zigaretten sind aus. Gitanes liegen im Auto. Ich fahre mit dem Lift in den zweiten Stock der Garage. Matte Lampen erhellen undeutlich die lange Halle. Die Stahlstreben werfen düstere Schatten. Irgendwo summen leise Generatoren. Mein Schritt hallt laut gegen die gläsernen Wände. Im zweiten Sektor steht der Wagen. Ich schließe auf und setze mich in das Auto.
    Er kauert gegenüber hinter dem Mercedes. Im Rückspiegel sehe ich einen Teil seiner Schulter, einen flachen, hellen Streifen von seinem Gesicht. Ich nehme eine Schachtel Zigaretten vom Rücksitz. Wollen sie hier lebhaft werden? Ich glaube es nicht. Es ist zu früh. Beim Betreten des Gebäudes war ich sehr vorsichtig. Niemand ist mir gefolgt. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel. Vom Gesicht ist nichts zu sehen. Seine Schulter und ein Knie sind deutlich sichtbar. Ich steige aus dem Wagen. Meine Hand ist um den Springer geklammert. Der Bursche ist ein Idiot. Im Lack des Wagens neben ihm spiegelt er sich klar erkennbar. Meine Hände sind feucht. Ich zähle meine Schritte bis zum Aufzug. Vor Verlassen der Halle sehe ich mich um. Er ist nicht zu sehen. Mein Rücken ist zwei Meter breit, nicht zu verfehlen. Mein Schatten schrumpft, dann schließe ich die Türe. Beim Gehen habe ich den Atem angehalten. Mit dem Taschentuch wische ich mir den Schweiß von Gesicht und Hals. Hinter dem Durchgang ist tiefster Schatten, zwei Autos parken dort. Hinter dem ersten ducke ich mich aus dem Sichtbereich. Leise surrt der Lift aufwärts. Niemand ist eingestiegen. Er bleibt im Eingang stehen, geht wenige Schritte, zündet sich eine Zigarette an. Von der Seite schlage ich ihm gegen die Schläfe. Er verliert das Gleichgewicht. Dann treffe ich ihn am Hals. Ich schleife ihn vorsichtig durch die Einfahrt. Links davon ist eine Baugrube. Schwitzend wuchte ich ihn über den Rand. Ein dumpfer Aufschlag. Ich warte, bis sich mein Atem beruhigt hat. Beim Ausgang sehe ich Cha-cha. Sie kommt schnell auf mich zu.
    »Ich glaube, die Polizei ist auf mich aufmerksam geworden«, sagt sie.
    Es ist Unsinn, blanke Idiotie, aber es ist keine Frage, und es dauert fünf Minuten. Vielleicht gibt es Nachricht aus Wien.
    »Hol den Wagen, ich gehe zur Post«, sage ich. Das Mädchen schaut entgeistert, dann werden ihre Lippen schmal.
    »Ach ja, postlagernd. Ich gehe mit«, sagt sie.
    »Komm«, plötzlich bin ich erschöpft und habe Angst. Wir gehen über den Platz. Cha-cha redet. Ich höre nicht zu, versuche, die Schattenfelder zu durchdringen – nichts. Der Platz ist nahezu leer. Vor dem Eingang zum Bahnhof stehen ein paar Leute. Männer mit älteren Frauen. Die interessieren mich nicht.
    »Bleib da, ich brauche eine halbe Minute«, sage ich. Sie nickt. »Ist Post für mich da?« sage ich und lege meinen Paß auf das Pult. Der Beamte wirft einen Blick auf meinen Namen, greift in ein Fach und legt zwei Briefe auf das Pult. Dann gibt er mir einen Umschlag. Ein Telegramm. Ich reiße es im Weggehen auf … ›ein Mädchen‹ … steht da. Ich öffne die Türe. Einer hält sie. Sie schreit. Der zweite schlägt gegen ihren Kopf. Ihre Gesichter sind bleiche Scheiben. Im Sprung lege ich mein ganzes Gewicht in den Schlag. Es reißt ihn von den Beinen. Er fällt im Bogen hintenüber. Einer ist an die Wand zurückgewichen. Cha-cha hat die Hände vor dem Gesicht. Unter dem Kopf des Liegenden bildet sich eine Blutlache, ein dünner Faden rinnt aus seinem Ohr. Der zweite bewegt sich im Zeitlupentempo. Alles geht blitzartig. Ich trete ihn gegen einen Bauzaun. Blut, die Augen starren über mich hinweg. Ich reiße das Mädchen an der Hand mit mir. Es scheint, als würde uns jemand verfolgen.
    »Los, lauf da hinüber und von rückwärts in die Garage um den Wagen. Ich warte unten beim Kreisverkehr«, sage ich.
    Das Mädchen verschwindet zwischen den Bäumen des Parks neben der Straße. Ich schaue die Straße entlang. Es ist niemand zu sehen. Ich winde ein Taschentuch um meinen zerschlagenen Knöchel, dann gehe ich ein Stück hinter Cha-cha her. Nichts.
    »War das eine Platzwunde?« fragt das Mädchen im Auto.
    »Hoffentlich«, sage ich. Sie sitzt ruhig neben mir, zündet eine Zigarette an und steckt sie mir in den Mund.
    »Gehen wir jetzt weg von hier«, sagt sie später.
    »Ja, aber vorher möchte ich morgen in die Zeitungen schauen, ob …«, sage ich.
    In der Nacht liegt sie gegen mich gedrängt und ist unruhig. Ich

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