Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
erzähl weiter. Wer ist sie?«
Marc zögerte noch, aber dann wagte er den Sprung ins kalte Wasser.
»Es ist keine sie, es ist Rachen …«
Stille am anderen Ende der Leitung. Er hielt dieses Schweigen nicht aus und redete weiter: »Ich weiß auch nicht, Willma. Ich bin total durch den Wind. Aber ich bin auch so glücklich wie noch nie.«
Noch immer kam keine Antwort.
»Ich blicke selber nicht mehr durch. Und du bist nicht da. Und … nun sag doch etwas. Du hasst mich, du findest mich widerlich … Sag doch was!« Die letzten Worte schrie er fast in das Handy. Verzweifelt schluchzte er in den Hörer: »Bitte sag doch was, Willma!«
»Marc, beruhig dich erst mal.« Endlich, sie sprach mit ihm. »Du bist mein bester Freund! Glaubst du, ich rede nicht mehr mit dir?« Langsam fing sich Willma wieder. »Natürlich ist das was …«, sie suchte nach Worten, »… Neues. Aber Marc … Wenn es für dich das Richtige ist, freu ich mich für dich.«
Marc war erleichtert.
»Wenn ich ehrlich bin, habe ich so etwas schon vermutet. Aber wenn du die Realität vor Augen hast, ist das halt dann ganz was anderes. Und was mich betrifft, bin ich froh, dass es ein Mann ist und keine Frau«, sagte Willma, eigentlich mehr zu sich selbst als zu Marc.
»Du hast das vermutet und nichts zu mir gesagt?!« Marc war verwirrt.
»Wenn man so lange mit jemandem befreundet ist, macht man sich auch mal Gedanken.«
»Aber du hättest mich doch fragen können!«, platzte es aus Marc heraus.
»Jetzt hör mir mal genau zu, mein kleiner Macho! Du bist Profifußballer! Also, du lebst in einem homophoben Mikrokosmos. Dem einzigen seiner Art, den es vielleicht noch gibt. Denkst du, dass ich ernsthaft geglaubt habe, dass du diese Sache auch wirklich leben willst? Glaubst du nicht, ich hätte dich voll aus deinem Bundesliga-Scheiß-Konzept gebracht, wenn ich dich vor vier Monaten gefragt hätte: ›Jetzt hör mal zu Marc, ich glaube, du bist schwul! Also gib das doch vor deiner alten Freundin zu und sage es dann doch gleich deinen Kollegen, der Presse und den ganzen, ach so sensiblen und liberalen Hooligans!‹«
»Willma, du hast ja recht. Tut mir echt leid. … Liebst du mich noch?«
»Jetzt wird’s echt hart, Marc. Wenn ich dich nicht lieben würde, hätte ich dir, nachdem du mich vier Tage nicht angerufen hast, die Freundschaft gekündigt. Marc, bitte!« Sie musste lachen. »Das bindet uns doch noch mehr aneinander. Ich bin schwarz, und du bist schwul. Wir sollten einen Verein gründen.«
Nun musste auch Marc lächeln.
»Willma, ich habe mit Rachen noch nicht geschlafen. Ich meine, wir haben uns geküsst und gestreichelt. Aber Rachen sagt, ihm ist die Freundschaft genauso wichtig und er möchte noch warten …«, sprudelte es plötzlich aus ihm heraus.
Willma unterbrach ihn. »Weißt du, was du für ein Glück hast? Der erste Mann, und gleich so einen? Kein Arschloch! Bis du dir dessen überhaupt bewusst?«
»Ja, Willma! Das schon. Aber stell dir vor, wir kommen zusammen und schlafen das erste Mal so richtig miteinander, und mir gefällt das gar nicht?«
»Marc, ich bin so froh, dass du mit Fußballspielen dein Geld verdienst. Du bist manchmal so kompliziert. Denk doch jetzt einmal nicht an die Zukunft. Genieße doch einfach mal die Gegenwart!«
»Das ist mir schon klar, Willma!« Spontan hatte er eine Idee: »Willma, komm doch her. Nimm dir Urlaub und komm. Ich lade dich ein!«
»Nein, Marc, erstens weißt du genau, dass ich im Krankenhaus nicht freibekomme, und zweitens wirst du das jetzt alleine durchstehen. Das wird dir sicher guttun. Außerdem warte ich immer noch auf den Anruf von Christian. Ich sage dir, wenn der anruft, werde ich mich sofort mit ihm treffen und ihn nicht mehr loslassen.«
»Das verstehe ich«, meinte Marc. »Sorry, ich bin wirklich ziemlich mit mir selbst beschäftigt. Ich habe dich gar nicht gefragt, wie’s dir geht.«
»Mir? Ganz gut. Ich muss jetzt nur Schluss machen, wir haben gleich Visite, und ich will nicht beim Telefonieren erwischt werden. Ich erwarte einen täglichen Report, Marc. Ich liebe dich.« Und schon hatte sie aufgelegt.
Willma lehnte sich in ihrem Nachtzimmer zurück. Sie war wirklich verblüfft. Eine Vorahnung hatte sie tatsächlich schon eine ganze Weile, aber dass er es durchzog, hätte sie nie gedacht. Sie machte sich nur Sorgen. Wie sollte das hier in Europa mit ihm weitergehen? In dem Umfeld, in dem er arbeitete, konnte er sich doch nicht outen. Eine Stimme riss sie aus den Gedanken:
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