Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
immer wieder verdrängt.
»Weißt du, was für einen Druck das für dich bedeutet?«
»Du sagst es …«, brachte er kleinlaut heraus.
»Marc, du musst vorsichtig sein! Du kennst diese Geier von der Presse. Die zerreißen dich. Und stell dir mal dein Team und die Zuschauer vor. Ich mach mir wirklich Sorgen um dich! Du musst vorsichtig sein!«
Er gab ihr in allen Punkten recht. Er hatte aber keine Lösung. Willma beteuerte ihm an diesem Abend ihre Freundschaft. Erklärte ihm, dass sie über die Sache mit Christian hinweg war und dass sie für ihn da wäre.
Unruhig wälzte sich Marc im Bett hin und her. Mit Christian konnte er nicht sprechen. Der war irgendwo im Südsudan. Das Gespräch mit Willma kreiste in seinem Kopf und wollte ihn nicht mehr loslassen. Willma hatte vollkommen recht: Er konnte diese Frage einfach nicht länger ausblenden. Was sollte er machen? Wo er nun endlich zu sich gefunden hatte, konnte er es nicht leben. Ihm fiel der englische Fußballer ein, der offen zugegeben hatte, schwul zu sein und sich nach kürzester Zeit das Leben genommen hatte. Dann überlegte er, wie es wäre, wenn er offen leben würde. Allein die Vorstellung war schrecklich. Marc würde so nie leben können. Nicht solange er seine Fußballkarriere weiterverfolgte.
Er ließ es langsam angehen. Marc lief ein paar Runden. Dass er letzte Nacht kein Auge zugemacht hatte, kam ihn jetzt teuer zu stehen. Der Fitnesstrainer schrie schon hinter ihm her. Aufs Wesentliche konzentrieren, dachte er sich. Nur nicht hektisch werden. Eine Verletzung wäre das Letzte, was er jetzt noch brauchte. Ein Kollege verlangsamte sein Tempo, sodass er neben Marc herlief.
»Wohl gestern zu viel gefeiert?«, meinte der.
Marc sagte nichts und lief konsequent seine Runden weiter. Der Trainer nahm ihn dann so richtig ran. Er hasste es, wenn Spieler unmotiviert oder gar schlapp zum Training kamen. Und Marc verstand ihn. Er selbst duldete ja auch keine Nachlässigkeit bei den Spielern. Immerhin war er der Kapitän!
Später unter der Dusche ließ er das heiße Wasser lange über seinen ganzen Körper laufen. Er hatte es geschafft, das Training überstanden. Marc ließ sich Zeit. Er wollte in der Umkleidekabine keine Fragen beantworten müssen. Er dachte schon, er wäre allein mit sich, da hörte er hinter sich seinen Trainer fragen: »Was ist los mit dir?«
Marc flüchtete sich in die Ausrede, dass er wahrscheinlich einen kleinen Virus ausbrüte. Aber sicher sei, dass es nichts Schlimmes ist, und er morgen beim Training wieder der Alte wäre.
Er setzt sich ins Auto und atmet durch. Geschafft! Zumindest dieses Mal, denkt er. Aber das darf ihm kein zweites Mal passieren! Auf der Fahrt nach Hause nimmt er sich vor, sich in der nächsten Zeit wieder ganz dem Fußball zu widmen. Er wird seine Gefühle hintanstellen. Es hat ja keinen Sinn. Er wird sicher nicht schwul leben können. Oder er muss den Fußball aufgeben, aber das kann er sich noch weniger vorstellen.
Ganz automatisch hatte er Willmas Nummer gewählt. Durch die Freisprechanlage in seinem Auto hörte er ein fröhliches »Hallo, mein Prinz!«
»Willma, ich möchte mich bei dir für den gestrigen Abend bedanken. Du hast völlig recht.«
»Mit was?«, tönte es durch das Auto. »Wir haben über so vieles gesprochen.«
»Mit dem, dass ich vorsichtig sein soll. Und dass mein Schwulsein nicht in mein Leben passt. Und dafür möchte ich mich bei dir bedanken.«
Am anderen Ende hörte man nichts.
»Willma, bist du noch dran?«
»Ich bin noch dran Marc. Du, ich habe nicht gesagt, dass du dich verleugnen sollst, ich sagte nur, pass auf.«
»Ich weiß, und du hast vollkommen recht. Diese beiden Dinge werden nie zusammenpassen«, erklärte er ihr.
»Marc, ich will das aber nicht so stehen lassen. Es ist doch gut, dass du jetzt über dich Bescheid weißt.«
Marc unterbrach sie. »Willma, das kann nicht gut gehen. Die Konsequenzen würde ich nicht durchstehen. Und noch eins, ich werde das Fußballspielen nicht lassen können. Dafür habe ich in meinem Leben schon zu viele Entbehrungen auf mich genommen. Willma, der Fußball ist mein Lebensinhalt, verdammt noch mal!«
»Und was ist mit Christian?«, hörte er Willma fragen.
»Ich schätzte und achte Christian über alles, aber das kann in meiner momentanen Situation nicht gut gehen, und das wäre auch ihm gegenüber unfair.«
Willma benahm sich merkwürdig. Zuerst sagte sie ihm gestern alles unverblümt ins Gesicht, und wenn er ihr dann seine
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