Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
meine, mein Chef in der Zeitung. Und auf einmal geben sie mir jetzt viel bessere Geschichten, und ich habe Mitspracherecht, was die Themen betrifft.«
Marc hörte ihm gespannt zu. Er merkte, wie wichtig es Christian war, ihm das zu erzählen, und welchen Stolz und Enthusiasmus er dabei entwickelte.
Christian erzählte Marc noch viel über seine Reportagereisen in andere Länder. Marc bewunderte Christian für seine hundertprozentige Entschlossenheit, sich dem Leben, so wie es kam, zu stellen. Marc küsste ihn und beteuerte ihm, wie stolz er auf ihn war.
Dann träumte jeder wortlos vor sich hin. Nun spürte Marc zum ersten Mal, was es heißt, einen Geliebten zu haben. Mit einem Menschen zu teilen, und er empfand ein warmes wohliges Gefühl.
Die Saison begann. Es war ein gelungener Auftakt. Marc lief zur Höchstform auf, und er wurde von sämtlichen Medien in den höchsten Tönen gelobt. Dadurch, dass er der Kapitän seiner Mannschaft war, gab er andauernd Interviews und musste zu diversen Empfängen. Sein Vater wusste genau, an welchen Rädchen er drehen musste und wie man den Sohn vermarktete.
Der Preis, den Marc für diesen Erfolg zu zahlen hatte, war, dass er wochenlang nicht zum Durchatmen kam. Ihm fehlte nicht nur die Zeit für Christian oder Willma, nein, sie fehlte ihm auch für sich selbst. Die Spannung wuchs, und das zeichnete sich besonders in der Beziehung zu seinem Vater ab. In letzter Zeit hatten sie immer öfter Meinungsverschiedenheiten. Marc war nicht mehr der brave Sohn, der, ohne zu reflektieren, alles tat, was sein Vater zu seinem Besten bestimmte. Es war in einem Gespräch bei seiner PR-Agentur, da gerieten sie sich in die Haare. Glücklicherweise war keine Presse anwesend.
»Marc, bitte, ich weiß schon, was für dich richtig ist«, tadelte der Vater seinen Sohn vor allen Leuten.
Doch Marc wollte diesmal nicht nachgeben. »Nein, ich will nicht schon wieder in einer überregionalen Kampagne überall zu sehen sein. Die Menschen werden permanent mit meinen Bildern beschossen. Ich will das langsam angehen und nicht so aufdringlich. Ich will mich aufs Spielen konzentrieren.«
Seinem Vater verschlug es die Sprache. Noch nie zuvor hatte Marc sich gegen seine Autorität gestellt. Die Agenturmitarbeiter, die diesen Streit hautnah mitbekommen hatten, versuchten, die Situation zu retten, indem sie Marc lobten, wie gut er doch bei den verschiedensten Zielgruppen ankomme und wie professionell er die letzte Kampagne bewältigt hatte.
Marc hielt es an diesem Tag einfach nicht mehr aus. Seit zwei Monaten hatte er kaum Zeit für sich selbst, und alle wollten sie immer nur irgendetwas von ihm. Er entschuldigte sich mit der Ausrede, er sei müde, da er in letzter Zeit so viele Spiele bestritten hatte. Deshalb wolle er das Treffen verschieben.
Unten auf der Straße rief er Willma an. Sie meldete sich in letzter Zeit seltener bei ihm. Er führte das auf Christian zurück und verstand sie. Aber ihre Freundschaft war ihm wichtig, und daher bemühte er sich, Schritt für Schritt, ihr Vertrauen wieder aufzubauen. Heute brauchte er sie.
»Willma, ich möchte dich sehen. So schnell wie möglich, bitte.«
Willma war nicht abgeneigt. Marc atmete auf.
»Gut, dann hole ich dich in zwei Stunden vom Krankenhaus ab …«
Seit überall im Lande Plakate von ihm hingen, fuhr er nur noch mit dem Auto und hatte immer eine Sonnenbrille auf. Nicht, weil man das als Star so machte, sondern weil er auch einfach gerne mal privat war. Er fuhr nach Hause, duschte, zog sich um und machte sich auf zu Willma. Auf der Fahrt zum Krankenhaus wurde ihm klar, dass Willma, neben Christian, die einzige Person hier in Europa war, der er sich anvertraut hatte. Er würde so gerne mal Rachen und sie zusammenbringen. Zwei der wichtigsten Menschen in seinem Leben.
Willma wartete schon vor der Krankenhauspforte. Sie stieg in sein Auto, und die beiden fuhren in ein kleines Lokal, in dem sie häufiger aßen. In letzter Zeit hatten ihre Gespräche schon ein wenig holprig begonnen, und sie hatten sich in Gemeinplätze geflüchtet. Aber jetzt schien es Willma nicht länger auszuhalten. Aus ihr platzte förmlich die Frage heraus: »Sag mal Marc, wie stellst du dir denn jetzt dein Leben vor? Ich meine, in der Fußballwelt ist das Thema schwul doch total tabu. Da kannst du doch nicht einfach auftauchen und dich mir nichts dir nichts dazu bekennen.«
Marc hatte sich, seit er aus Koh Samui zurück war, auch schon öfter diese Frage gestellt, sie aber
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