Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
geht’s dir nun damit? Ich meine, fühlst du dich jetzt wohler?«
Man merkte, dass ihr irgendetwas auf dem Herzen lag, aber sie sagte nichts.
»Wohler vielleicht nicht. Es ist ein eher …«, Marc sucht nach den richtigen Worten, »eher ein geordnetes Gefühl.«
»Geordnetes Gefühl?«, wiederholte sie nachdenklich.
»Ja, ich lebe nach einem Plan und weiß, worauf ich hinarbeite.«
»Und worauf arbeitest du hin?«, fragte Willma und blies sich eine Locke aus dem Gesicht.
»Na ja, ich möchte meine Karriere ausbauen. Gut Fußball spielen und damit weiterkommen.«
»Und was ist mit deinen Gefühlen? Glaubst du, es funktioniert, dein Leben einfach nur auf deine Karriere zu reduzieren? Marc, du kannst das doch nicht ernst meinen!«
Das Gespräch wurde für sie immer absurder. Nun wurde er lauter. »Du hast mich doch davor gewarnt, und ich hab mir das auch zu Herzen genommen. Du warst diejenige, die mir abgeraten hat, in meiner Welt so zu leben!«
»Nein, Marc. Ich glaube, du willst mich falsch verstehen. Ich habe nur gemeint, dass du das langsam und vorsichtig angehen sollst. Ich habe aber nie behauptet, dass du dich selbst verleugnen sollst. Denkst du wirklich von mir, ich würde dir so etwas raten?«
»Ich habe mir aus dem Internet einige Artikel über Fußball und schwul rausgesucht. Willma, da gibt es keinen anderen Weg. Das wäre mein Tod. Es hat bisher nur einen gegeben, der sich in seiner aktiven Zeit im Profifußball geoutet hat. Und der spielte dann nicht mehr. Einige Jahre später hat er sogar Selbstmord begangen.« Marc steigerte sich jetzt so richtig in seine Angst hinein. »Ich kann nichts anderes als Fußball spielen. Alles andere war und ist für mich nur Nebensache. Was soll ich denn sonst machen? Du kennst das Gefühl nicht, wenn du in ein Stadion einläufst. Tausende Menschen lieben oder hassen dich. Du bist denen so richtig ausgeliefert. Und stell dir vor, alle wissen es! Da kann ich mir ja gleich mein Grab schaufeln. Nein Willma, von mir aus nenne es Verdrängen oder wie auch immer. Ich kann das nicht!« Marc gestikulierte wild um sich, während er auf Willma einredete.
Und sie konnte seinen Argumenten nichts entgegensetzen. Er hatte ja recht, aber irgendeinen Ausweg musste es doch geben!? Nur welchen?
Ab diesem Gespräch war der Abend gelaufen. Sie probierten noch, über dieses und jenes zu sprechen, ohne Erfolg. Willma verabschiedete sich schließlich und versuchte, Marc zu signalisieren, dass sich zwischen ihnen nichts verändert hatte.
Er musste heute früher los. Schnell trank er seinen Kaffee und schlang sein Honigbrot runter. Beim Verlassen der Wohnung schnappte er sich noch einen Apfel. Im Auto hörte er seine Mailbox ab. Wieder war es Christian, der versuchte, ihn zu erreichen. Marc nahm sich vor, eine SMS zu schreiben. Aber momentan war es für ihn viel wichtiger, sein altes Meniskusproblem unter Kontrolle zu bekommen. Der Physiotherapeut hatte ihm gestern gesagt, es könne sein, dass er ein Spiel pausieren müsse. Das kam für ihn überhaupt nicht infrage. Immerhin hatte er so einen guten Lauf, er musste in dieser geilen Phase weiterspielen. Das bedeutete für ihn Sonderbehandlungen und ansonsten viel Ruhe. Er hatte sich heute vorgenommen, dem Therapeuten zu beweisen, dass seine Diagnose falsch war.
Nach dem Vormittagstraining tastete er vorsichtig sein Knie ab. Dann stellte er sich unter die Dusche und ließ heißes Wasser auf die Stelle prasseln. Ich werde das schon selbst lösen, dachte er für sich.
»Könntest du mal bitte zu mir ins Büro kommen?«
Marc kam gerade aus der Umkleidekabine und wollte zum Essen. Er drehte sich um und stand vor seinem Trainer.
»Selbstverständlich, Jan«, antwortete er und ging ihm hinterher in sein Office. Er konnte sich nicht vorstellen, was es zu besprechen gab. Immerhin hatten sie ja schon am Vormittag die Taktik für das Wochenendspiel besprochen.
»Marc setz dich doch bitte.« Der Trainer ließ sich ihm gegenüber auf das Sofa fallen, und man merkte, dass er nach den richtigen Worten suchte.
»Hab ich was verbrochen?«, witzelte Marc.
»Nein. Du weißt genau, dass ich mit deiner Leistung superzufrieden bin. Marc, ich wollte einfach mal privat mit dir reden. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du dich trotz deiner Leistung nicht ganz wohlfühlst. Du schottest dich ab. Erzählst nie etwas aus deinem Privatleben.«
Marc schluckte. »Schau, du weißt genau, dass es kaum Zeit für Privatleben gibt. Ich will mich ganz auf meine
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