Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
irgendwas für ihn tun.« Sie strich ihm liebevoll über den Handrücken. Er nahm ihre Hand. »Willma, ich bin sehr froh, dass er dich hat und dass du dich so um ihn kümmerst.«
»Das ist doch selbstverständlich.«
Sie schwiegen eine Zeit lang. Schließlich war es Christian, der wieder zu reden begann: »Und wie geht es dir, Willma?«
»Es geht so. Weißt du, Marc und ich kennen uns schon so lange, und egal, was auch passiert ist, wir haben immer miteinander geredet. Er hat sich noch nie so dermaßen zurückgezogen. Das bringt mich im Moment ganz schön durcheinander.«
Christian und Willma sprachen noch eine ganze Weile. Willma erzählte ihm von Simon, und er berichtete ihr von seinen vielen Auslandsreportagen. Seit der Trennung von Marc war er fast ständig unterwegs.
Willma saß im Auto und wählte Simons Nummer. Die Besprechung bei Ärzte ohne Grenzen hatte sich ewig hingezogen, und die Debatten waren teilweise sehr hitzig gewesen. Aber der nächste Hilfseinsatz war beschlossen worden. Sie erreichte nur die Sprachbox. »Hallo Simon, wo bist du denn? Du wolltest doch nach der Ordination zur Besprechung kommen. Melde dich bitte. Tschüs.« Sie legte auf.
Was war mit Simon? In letzter Zeit interessierte er sich immer weniger für Ärzte ohne Grenzen. Dabei war er, als sie sich kennengelernt hatten, Feuer und Flamme dafür gewesen. Sie überlegte, ob sie noch kurz zu ihm sollte, entschied sich dann aber doch, nach Hause zu fahren.
Sie war gerade dabei, die Spaghetti abzugießen, als das Handy läutete.
»Hallo Willma, es tut mir leid.«
»Wo warst du denn?«
»Mein Chef hat mich nach der Ordination noch eingeladen, mit ihm etwas essen zu gehen, da konnte ich nicht Nein sagen.«
»Aber das Meeting heute war wirklich wichtig Simon. Wir haben über den nächsten Einsatz gesprochen und …«
»Willma, das Essen mit meinem Chef war wirklich wichtig für mich. Er hat mit mir über meine Zukunft gesprochen.«
»Du hast schon die letzte Besprechung versäumt. Was ist denn los mit dir? Ich dachte immer, es ist dir genauso wichtig wie mir, und warum hast du mir nicht wenigstens Bescheid gegeben?«
»Es war alles so spontan, und ich hab nicht weiter nachgedacht. Ärzte ohne Grenzen ist mir ja wichtig, aber im Moment muss ich mir hier mal etwas aufbauen. Es tut mir leid, Schatz«, er versuchte, versöhnlich zu klingen. »Ich komme zu dir, okay?«
»Ja, gut«, entgegnete Willma kurz.
»Soll ich dir etwas zu essen mitbringen?«
»Nein danke, ich habe gerade Pasta gemacht.«
»Okay, dann bis gleich.« Er legte auf.
Sie nahm den Teller Spaghetti und ein Glas Pesto und setzte sich an den Küchentisch. In letzter Zeit hatte sie immer häufiger das Gefühl, dass sich Simons Zukunftsträume veränderten. Er schwärmte immer öfter von einer Beteiligung an der Praxis und stand seinem Chef daher Gewehr bei Fuß. Überhaupt fing er in letzter Zeit an, sich für Dinge zu interessieren, die ihm früher wenig bedeutet hatten. Von Autos, Weltreisen und sogar Golf war da die Rede. Sie schüttelte die Gedanken ab und widmete sich wieder ihrer Pasta.
Sie saß neben Marc, heute sah er sie kaum an. Egal, was sie auch sagte, egal, wie sehr sie versuchte, ihn aufzuheitern. Er zeigte keine Reaktion. Seine Augen sahen sie leer an oder starrten zur Decke. Seine Verbände waren ab, alle, bis auf den am Oberschenkel. Sie legte sich seitlich zu ihm ins Bett. Sie hatte das Bedürfnis, sich an ihm festzuhalten. Sie wollte spüren, dass er noch da war. Ihr Herz klopfte, und es gelang ihr nur mit sehr viel Mühe, die Tränen, die in ihr aufstiegen, zu unterdrücken.
»Eva?« Willma blickte verdutzt zu Marcs Mutter und dann zur genervten Schwester. Auf ihre Station hatte sie sich noch nie verirrt.
»Da ist sie doch!« Eva lief auf Willma zu. »Die haben mir gesagt, du bist gerade nicht zu sprechen.« Sie blickte missbilligend zur Schwester.
»Eva, was machst du denn hier?« Sie warf einen entschuldigenden Blick in Richtung der Schwester.
»Willma, ich muss sofort mit dir reden.« Eva klang ganz aufgelöst.
»Ja?«, fragte Willma skeptisch.
»Können wir irgendwo hingehen? Es muss ja nicht jeder gleich alles mitbekommen.«
»Gut, gehen wir ins Nachtzimmer.«
Sie bot Eva den einzigen Stuhl im Raum an und setzte sich aufs Bett. »Also?«, fragte sie etwas ungeduldig.
»Hier«, Eva reichte ihr einen abgerissenen Zettel.
Willma las: Ich brauche Zeit für mich. Macht euch keine Sorgen. Marc. Mehr stand da nicht.
Sie blickte Eva
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