Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
zumindest, es ganz fest zu glauben.
Willma traf sich nun regelmäßig mit Eva. Nachdem diese Marcs Verschwinden anfangs noch für einen Egotrip ihres Sohnes gehalten hatte, machte sie sich nun wirklich Sorgen. Und Willma empfand das erste Mal so etwas wie Mitleid und Sympathie für Eva. Marcs Mutter hatte sich entschlossen, alles zu tun, um ihren Sohn zu finden – gegen den Willen seines Vaters. Für ihn war Marc gestorben, es war ihm ganz egal, wo er war und wie es ihm ging, daran ließ er nie auch nur einen Zweifel aufkommen. Eva hingegen hatte mittlerweile sogar einen Privatdetektiv engagiert, einen alten Freund vom BND. Eine windige Gestalt, der Willma sogar einen Mord zugetraut hätte.
Der Detektiv war anfangs ganz sicher gewesen, Marc bald zu finden. Doch die Wochen vergingen, und es gab weiterhin keine Spur von Marc. Willma versuchte, so gut wie möglich ihr Leben weiterzuleben. Die Beziehung mit Simon kriselte zunehmend. Er warf ihr vor, in Gedanken immer bei Marc zu sein, und eigentlich musste sie ihm auch recht geben. Die Ungewissheit machte ihr schwer zu schaffen. Aber Simon hatte sich auch verändert, er war wie besessen von seiner Karriere. Seine alten Ideale hatte er über Bord geworfen. Einzig die Zeit während ihrer Schichten im Krankenhaus war für Willma Erholung. Erholung von den Gedanken und Sorgen, die sie in jeder freien Minute begleiteten. Es fiel ihr immer schwerer, sich einzureden, dass Marc einfach nur Zeit brauchte, Zeit für sich, Zeit, um über alles hinwegzukommen. Doch je länger er verschwunden blieb, umso mehr überkamen sie Zweifel. Ging es ihm wirklich gut? Auch Rachen und Christian verloren langsam ihre anfängliche Zuversicht, dass Marc sich schon wieder melden würde. Sie hoffte nur, er würde auf sich aufpassen und sich um Gottes Willen bald melden.
»Rachen?«
»Ja?«, er klang ganz verschlafen.
»Hast du schon geschlafen? Es tut mir leid, ich habe gar nicht daran gedacht, wie spät es bei dir schon ist. Aber es ist wirklich dringend!« Willmas Stimme überschlug sich fast.
Rachen musste lachen: »Jetzt atme erst mal durch, du klingst ja ganz aufgeregt. Was gibt es denn?«
»Marc ist wahrscheinlich in Bangkok!«, schrie Willma ins Telefon.
»In Bangkok? Wie … Woher weißt du das? Hat er sich bei dir gemeldet?« Jetzt klang auch Rachen ganz aufgeregt.
»Nein, der Detektiv, den Eva engagiert hat, der hat herausgefunden, dass Marc nach Bangkok geflogen ist. Warum die Polizei das nicht herausgefunden hat, würde mich echt interessieren! Die haben doch gar nichts gemacht, es ist wirklich unglaublich …«
»Willma«, Rachen versuchte, sie zu beruhigen, »ganz ruhig, das ist doch jetzt nicht mehr wichtig. Was zählt ist, dass wir jetzt wissen, dass er nach Bangkok geflogen ist. Er ist also in seine alte Heimat geflohen …«
»Das ist unser erster Anhaltspunkt seit Monaten!«
Am liebsten wäre Willma sofort ins nächste Flugzeug gestiegen. Aber Rachen konnte sie davon überzeugen, dass das wenig hilfreich war. Er versprach, seine gesamten Kontakte in Bangkok durchzutelefonieren. Auch würde er sich mit den dortigen Behörden in Verbindung setzen und mit sämtlichen Krankenhäusern. Vorsichtshalber.
Es klingelte, dann schaltete sich die Box ein. »Willma, ich bin es, Rachen. Ich habe gute Neuigkeiten. Ich habe Marc ausfindig gemacht! Er ist noch in Bangkok. Es geht ihm höchstwahrscheinlich gut, jedenfalls glaube ich das. Ich fahre sofort zum Flughafen, in drei Stunden bin ich in Bangkok. Melde dich, sobald du das hörst.«
Willma stand auf dem Parkplatz vorm Krankenhaus. Sie hatte Rachens Nachricht mindestens dreimal abgehört, bevor sie begreifen konnte, was diese bedeutete. Und in dem Moment wurden all die Sorgen und Gedanken der letzen Monate verdrängt durch eine Gefühl der Erleichterung. Ihr war schwindelig, die Tränen liefen in Strömen über ihr Gesicht, und sie hätte am liebsten laut aufgeschrien.
Sie hatte versucht, Rachen zu erreichen, aber der war wohl gerade im Flieger. Sie setzte sich ins Auto und versuchte, sich zu beruhigen. Versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Sie wusste nicht, wann sich das Chaos in ihrem Kopf endlich wieder gelegt hatte, bis nur noch ein Gedanke blieb: Sie musste so schnell wie möglich nach Bangkok.
Sie öffnete die Wohnungstür.
»Simon? Simon?«
Er saß in der Küche. »Simon?«, sie strahlte ihn an, »Marc ist in Bangkok!«
»Wo warst du denn? Kannst du nicht anrufen, wenn du nach dem Dienst nicht nach Hause
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