Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
fragend an.
Eva rollte mit den Augen und rief: »Ach Gott, Marc ist weg, verschwunden!«
»Er ist weg?«
»Genau!« Eva sah Willma an, als wäre diese schwer von Begriff. »Er ist verschwunden. Als ich gekommen bin, war sein Bett leer, nur dieser Zettel lag da. Hat er dir etwas gesagt?«
»Nein.« Sie las den Zettel noch mal. Wort für Wort. »Ist er zu Hause? Hast du mit ihm gesprochen?«, fragte sie noch immer ganz verwirrt.
»Ich weiß es nicht, ich kann ihn per Handy nicht erreichen. Hat er dir wirklich nichts gesagt?«
»Eva, ich habe bis vor einer Minute geglaubt, er liegt noch hier im Krankenhaus.« Warum war er ohne Vorankündigung verschwunden? War irgendetwas vorgefallen? Sie musste sofort mit seinem Stationsarzt sprechen. Warum hatte Marc ihr gegenüber nichts gesagt oder angedeutet? In letzter Zeit kam sie einfach nicht mehr zu ihm durch.
»Willma!« Eva riss sie aus ihren Gedanken.
»Äh, ja?«
»Ob du ihn auch mal anrufen könntest, habe ich gefragt.«
»Sicher. Ich werde auch gleich mit seinem Arzt sprechen.«
Eva stand auf. »Das habe ich bereits getan. Der ist genauso überrascht wie wir. Marc ist einfach verschwunden, ohne irgendwem Bescheid zu geben«. Sie schüttelte missbilligend den Kopf. »Bitte sag ihm, er möge an das arme Herz seiner Mutter denken und solche Aktionen in Zukunft sein lassen!« Und weg war sie.
Willma lächelte müde, da schlug sicher kein Mutterherz in Evas Brust. Sie stand auf, um ihr Handy zu holen, es machte sie nervös, dass Marc ohne ein Wort verschwunden war. Ganz in Gedanken machte sie sich auf den Weg zu ihrem Spind.
Willma stand davor und nahm ihr Handy aus der Tasche, schaltete es ein. Keine Nachricht oder SMS von Marc. Sie wählte seine Nummer. Nur die Box.
»Marc, hallo. Eva war gerade bei mir. Du hast einfach die Klinik verlassen?! Ich bin etwas verwirrt.« Sie machte eine Pause. »Ich hoffe, es geht dir gut. Bitte melde dich kurz und lass mich wissen, dass es dir gut geht. Nimm dir die Zeit, die du brachst. Ich liebe dich … Und wenn irgendetwas ist, ich bin immer für dich da.«
Sie legte auf. Was ging nur in Marc vor? Sie hatte das Gefühl, als wäre er in den Monaten im Krankenhaus zu einem Buch mit Tausend Siegeln geworden.
»Bis bald!« Willma legte das Handy zur Seite. Auch Rachen machte sich langsam ernsthafte Sorgen um Marc. Sie telefonierten oft miteinender. Auch wenn es nie wirkliche Neuigkeiten gab, so konnten sie einander Halt geben und sich gut zureden, dass es Marc bestimmt gut gehe, er einfach nur Zeit für sich brauche und sich sicher bald bei ihnen melden würde.
Es waren nun vier Wochen vergangen, und noch immer hatten sie nichts von Marc gehört. Als Marcs Mutter seine Sachen aus dem Krankenhaus abgeholt hatte, hatte sie feststellen müssen, dass er sein Handy zurückgelassen hatte. Es gab nicht das geringste Lebenszeichen von Marc. Anfangs hatten sie alle gemeinsam mit dem Verein beschlossen, nicht die Polizei einzuschalten. Des Skandals wegen, der dadurch ausgelöst worden wäre. Negative Schlagzeilen konnte Marcs Karriere keine mehr vertragen, darüber waren sie sich einig gewesen. Auch Willma war sich sicher gewesen, dass das in Marcs Interesse war. Er wollte Zeit haben und nicht gefunden werden. Aber als die Zeit verging, ohne dass Marc sich meldete, informierten sie schließlich doch die Polizei. Diskretion stand natürlich an oberster Stelle, dafür hatten Marcs Eltern gesorgt. Ergebnisse lieferten die polizeilichen Ermittlungen keine. Es wurde offiziell nicht nach ihm gesucht, aber die Medien machten sich natürlich Gedanken über das plötzliche Abtauchen des Fußballstars. Anfänglich hatte der Verein Marcs Verschwinden noch gedeckt. Er sei in der REHA-Klinik, schwere Verletzung, Rückkehr in dieser Saison eher unwahrscheinlich. Doch nach ein paar Wochen hatte sich die Unterstützung des Clubs verflüchtigt. Alle fühlten sich von Marc vor den Kopf gestoßen. Einzig sein Trainer, Jan, hatte ihn noch nicht abgeschrieben. Allerdings hatte er Willma auch erklärt, dass Marc möglichst bald wieder auf der Bildfläche erscheinen musste, um seine Chancen im Fußball nicht ganz zu verspielen.
Willma geriet zunehmend in Panik, diese Unsicherheit, nicht zu wissen, wo er war und wie es ihm ging. Auf der anderen Seite die Hoffnung, dass er die Zeit wirklich brauchte und nutzte, um mit sich, mit seinem Leben, ins Reine zu kommen. Er würde sich bei ihr melden, er würde wieder zurückkommen. Sie war sich sicher. Sie versuchte
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