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Der Modigliani Skandal

Der Modigliani Skandal

Titel: Der Modigliani Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Menschen für ein paar Stunden ihre Sorgen vergessen zu lassen. Keiner geht ins Kino, um sich einen Film anzusehen, in dem gewöhnliche Menschen schwere Zeiten durchmachen.«
    »Vielleicht sollte ich keine Schauspielerin sein.«
    »Und was würdest du dann tun? Vielleicht Sozialarbeiterin werden - bloß um zu entdecken, daß du den Menschen nicht wirklich helfen kannst, weil du mit zu vielen Fällen fertig werden müßtest und im Grunde doch alle nur das eine brauchen: Geld. Oder dich als Journalistin verdingen und sehr bald erkennen, daß du schreiben mußt, was der Herausgeber denkt und nicht was du denkst. Oder Lyrik verfassen und am Hungertuch nagen. Oder in die Politik einsteigen und faule Kompromisse schließen.«
    »Der Grund dafür, daß nie etwas geschieht, liegt darin, daß alle genauso zynisch sind wie du.«
    Joe legte seine Hände auf Samanthas Schultern und drückte sie sacht. »Sammy, du bist eine Idealistin. Du hast dir deine utopischen Gedanken viel länger bewahrt als die meisten von uns. Und deshalb achte ich dich - und liebe ich dich.«
    »Ach, hör schon auf, du alter Süßholzraspler«, sagte sie, lächelte ihn jedoch liebevoll an. »Also gut, Joe, ich werde mir das Drehbuch noch mal ansehen. Aber jetzt muß ich gehen.«
    »Ich rufe dir ein Taxi.«
    Es war eines jener kühlen, geräumigen Apartments in Knightsbridge. Die Tapeten: gedämpfte, gleichsam anonyme Muster; die Sitzpolster: aus Brokat; das ziemlich spärliche Mobiliar: natürlich antik. Durch die offenen Balkontüren strömte die milde Nachtluft herein, klangen ferne Verkehrsgeräusche herbei. Das Apartment war ebenso elegant wie langweilig.
    Genau wie die Party. Samantha war gekommen, weil die Gastgeberin eine alte Freundin war. Man ging miteinander einkaufen und besuchte sich dann und wann gegenseitig zum Tee. Aber diese gelegentlichen Zusammenkünfte hatten nicht ahnen lassen, wie sehr Mary und Samantha sich seit der gemeinsamen Zeit als Theaternovizinnen innerlich voneinander entfernt hatten.
    Mary hatte einen Geschäftsmann geheiratet, und die meisten Partygäste schienen seine Freunde zu sein. Einige der Herren trugen Dinner-Jacketts, obwohl nur Appetithäppchen gereicht wurden. Einfach entsetzlich war die Art, wie sie Smalltalk zelebrierten. Die kleine Gruppe um Samantha herum übte sich in hochgestochenen Klischees über eine Reihe völlig bedeutungsloser Drucke an einer Wand.
    Samantha lächelte, um zu verhindern, daß sich der Ausdruck der Langeweile auf ihrem Gesicht endgültig einnistete, und schlürfte Champagner. Nicht mal der taugte viel. Sie nickte dem Mann zu, der gerade sprach. Wandelnde Leichname, allesamt. Mit einer Ausnahme. Tom Cooper wirkte wie ein wahrer Gentleman zwischen lauter Provinzlern.
    Er war hochgewachsen, schien etwa in Samanthas Alter zu sein, hatte allerdings schon graue Strähnen im schwarzen Haar. Er trug ein kariertes Hemd und Jeans mit einem Ledergürtel und hatte breite Hände und Füße.
    Ihre Blicke begegneten einander, sozusagen über den ganzen Raum hinweg, und der schwere Schnurrbart auf seiner Oberlippe zog sich breit auseinander, als er lächelte. Er sagte irgend etwas zu dem Paar, bei dem er stand, und entfernte sich - in Richtung Samantha.
    Sie ihrerseits kehrte der Gruppe, die über die Drucke diskutierte, halb den Rücken zu. Tom beugte sich zu ihrem Ohr und sagte: »Ich bin gekommen, um Sie aus dem Kunstbetrachtungskurs zu befreien.«
    »Danke. Hab die Rettung nötig.«
    »Ich hab das Gefühl, daß Sie hier der Stargast sind.« Er bot ihr eine lange Zigarette an.
    »Yeah.« Sie beugte den Kopf zu seinem Feuerzeug. »Und als was hätte man Sie einzustufen?«
    »Als Alibi-Repräsentanten der Arbeiterklasse.«
    »Sieht mir nicht gerade nach Arbeiterklasse aus, Ihr Feuerzeug.« Es war schmal, trug ein Monogramm und schien aus Gold zu sein.
    Plötzlich sprach er mit starkem Londoner Akzent: »Bin eben so'n Typ, der's schnell zu was bringt, aber echt.«
    Samantha lachte, und er schaltete auf einen anderen Akzent um: stocksteif und würdevoll: »Noch ein wenig Champagner, Madame?«
    Sie gingen zu einem Büfett-Tisch, wo er ihr Glas füllte und dann zwei Teller mit Appetithäppchen nahm, jeder mit einem Klacks Kaviar in der Mitte. Er bot ihr davon an, doch sie schüttelte den Kopf.
    »Na, dann eben nicht.« Er schob sich zwei Häppchen auf einmal in den Mund.
    »Wie haben Sie Mary kennengelernt?« fragte Samantha.
    Er grinste wieder. »Sie meinen, wie es zwischen einer Frau wie Mary und einem

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