Der Modigliani Skandal
Liste vor.«
Anne hob den Telefonhörer ab und begann eine Nummer zu wählen.
Das Taxi hielt vor den Schaufenstern der Crowforth 's Gallery in Piccadilly. Anne bezahlte den Fahrer, während Mitch das Gemälde in seinem schweren ledernen Behältnis in das vornehme Gebäude des Kunsthändlers schleppte.
Vom Ausstellungsraum im Parterre führte eine breite, offene Treppe aus skandinavischem Kiefernholz hinauf zu den Büros. Anne ging voraus und klopfte an eine Tür.
Ramsey Crowforth war ein drahtiger, weißhaariger Schotte von etwa sechzig Jahren. Während er Anne und Mitch die Hand schüttelte, musterte er beide über den Rand seiner Brille hinweg. Er bat Anne, Platz zu nehmen. Mitch blieb stehen und hielt das lederumhüllte Gemälde in seinen Armen.
Die Täfelung des Zimmers war aus dem gleichen Material wie die Treppe draußen, und die Tönung des Teppichs war eine Mischung aus Orange und Braun. Ramsey Crowforth stand vor seinem Schreibtisch, den einen Arm gegen die Hüfte gestützt, so daß die Hand sein Jackett zurückschob und man seine Lurex-Hosenträger sehen konnte. Er war zwar eine Autorität in Sachen deutscher Expressionisten, hatte jedoch, wie Anne befand, einen schauderhaften Geschmack.
»Sie sind also Mademoiselle Renalle«, sagte er mit unverkennbarer schottischer Dialektfärbung. »Und der Monsieur Renalle, mit dem ich heute morgen sprach, war ...«
»... mein Vater«, ergänzte Anne und vermied es, Mitch in die Augen zu sehen.
»Richtig. Dann lassen Sie uns mal sehen, was Sie haben.«
Anne gab Mitch einen Wink. Er nahm das Bild aus seiner Hülle und stellte es auf einen Stuhl. Crowforth kreuzte die Arme vor der Brust und betrachtete es.
»Eine frühe Arbeit«, sagte er leise, halb zu sich selbst, halb zu den anderen. »Bevor Munchs Psychosen sich richtig auswirkten. Ziemlich typisch ...« Er löste seinen Blick von dem Bild. »Möchten Sie ein Glas Sherry?« Anne nickte. »Und Ihr -äh - Assistent?« Mitch lehnte mit einem kurzen Kopfschütteln ab.
Während Crowforth einschenkte, fragte er: »Wenn ich richtig verstanden habe, so handeln Sie gleichsam als Nachlaßverwal-ter eines Sammlers, ja?«
»Ja.« Anne war sich bewußt, daß er ein wenig »in Konversation« machte, um das Bild auf sich wirken zu lassen, bevor er eine Entscheidung traf. »Sein Name war Roger Dubois - ein Geschäftsmann. Seine Firma stellte landwirtschaftliche Maschinen her. Seine Sammlung war zwar klein, jedoch höchst erlesen.«
»Augenscheinlich.« Crowforth reichte ihr ein Glas und lehnte sich dann gegen seinen Schreibtisch, studierte wieder das Bild. »Dies gehört allerdings nicht so ganz zu meiner Periode, wissen Sie. Ich bin eher auf Expressionisten im allgemeinen als auf Munch im besonderen spezialisiert, und seine frühen Arbeiten sind ja offenkundig nicht expressionistisch.« Mit der Hand, die das Sherryglas hielt, deutete er auf das Bild. »Dies gefällt mir, aber ich möchte noch eine weitere Meinung einholen.«
Anne fühlte plötzlich eine Art Krampf zwischen ihren Schultern, und sie versuchte die Röte zu unterdrücken, die vom Hals her in ihre Wangen stieg. »Oh, ich wäre gern bereit, es über Nacht hierzulassen, falls Sie das wünschen«, sagte sie. »Allerdings liegt ein Gutachten vor.« Sie öffnete eine Art Aktentasche und nahm einen Hefter heraus, der das Dokument enthielt, das sie daheim im Atelier gefälscht hatte. Es wies Meuniers Briefkopf und Stempel auf. Sie reichte es Crowforth.
»Oh!« rief er und studierte das Gutachten. »Dies läßt die Sache natürlich in einem ganz anderen Licht erscheinen. Auf Grund dessen kann ich Ihnen sofort ein Angebot machen.« Wieder betrachtete er das Bild eingehend, fragte dann: »Welche Summe haben Sie heute morgen doch noch genannt?«
Anne jubelte innerlich, ließ sich jedoch nichts anmerken. »Dreißigtausend.«
Crowforth lächelte, und auch er schien seine Freude nur mit Mühe beherrschen zu können. »Ich glaube, das ist eine Summe, auf die wir uns einigen können.«
Zu Annes Verblüffung nahm er ein Scheckbuch aus seiner Schreibtischschublade und begann zu schreiben. Einfach so aus dem Handgelenk! dachte sie. Und sagte laut: »Stellen Sie ihn bitte auf Hollows und Cox, unsere Londoner Repräsentanten, aus.« Als er sie ein wenig überrascht musterte, fügte sie hinzu: »Es handelt sich um eine Firma, die uns hier ausschließlich in finanziellen Belangen betreut.« Das war für ihn offenbar eine befriedigende Erklärung. Er riß den Scheck heraus und
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