Der Modigliani Skandal
Lieferwagen hier draußen auf einer öffentlichen Straße, so daß ihn kein College-Angestellter nach dem Zweck seines Tuns fragen konnte. Zufällige Beobachter würden nichts anderes sehen als einen jungen Mann, vermutlich Student, der aus einem Lieferwagen irgendwelches Zeug auslud.
Er öffnete die hinteren Türen, nahm die Gemälde heraus und lehnte sie gegen das Geländer.
Unmittelbar neben dem College-Tor befand sich eine Telefonzelle - einer der Gründe dafür, daß sie diese Stelle gewählt hatten. Peter betrat die Zelle und wählte die Nummer einer Taxi-Firma. Er erklärte präzise, wo er sich befand, und man versicherte ihm, in fünf Minuten werde ein Taxi zur Stelle sein.
Es dauerte keine fünf Minuten. Der Taxifahrer half Peter beim Einladen der Bilder, die fast den gesamten Passagierraum einnahmen. Peter sagte zum Fahrer: » Hilton Hotel, für einen Mr. Eric Clapton.« Der falsche Name war ein Scherz, den Mitch amüsant gefunden hatte. Peter gab dem Taxifahrer fünfzig Pence für die Hilfe beim Einladen, und das Taxi fuhr los, während Peter zurückblieb.
Als das Taxi verschwunden war, stieg er in den Lieferwagen, wendete und trat die Heimfahrt an. Jetzt gab es keine Möglichkeit mehr, die gefälschten Bilder mit dem kleinen Haus in Clapham in Verbindung zu bringen.
Anne fühlte sich wie im siebten Himmel, als sie sich in der Suite des Hilton umsah. Ihr Haar war bei Sassoon gestylt worden, und ihr Kleid, ihr Mantel und ihre Schuhe stammten aus einer irrsinnig teuren Boutique in der Sloan Street. Ein Hauch von französischem Parfüm umgab sie.
Sie hob die Arme und wirbelte herum wie ein kleines Mädchen, das sein Partykleid vorführen möchte. »Selbst wenn mir ein Richter lebenslänglich aufbrummen würde, dies war die Sache wert«, sagte sie.
»Hab nur deinen Spaß daran, solange du kannst - denn morgen müssen all diese Kleidungsstücke verbrannt werden«, sagte Mitch, der in einem üppig gepolsterten Sessel saß. Auf seinem Gesicht lag ein unbeschwertes Lächeln, das jedoch Lügen gestraft wurde durch das nervöse, wennschon kaum merkliche Zucken in seinen Händen. Er trug bauschige Jeans, einen Sweater und eine Art Wollkappe - um, wie er gesagt hatte, den reichen Nichtstuer zu markieren, der sich darin gefällt, Arbeiter zu spielen. Unter der Kappe war sein Haar aufgetürmt, damit dessen Länge verborgen blieb. Außerdem trug er eine billige »Krankenkassen-Brille« mit einfachen Gläsern.
Es klopfte leise an die Tür. Ein Roomservice-Kellner trat ein. Auf einem Tablett brachte er Kaffee und Cremetorte.
»Ihr Kaffee, Madame«, sagte er, während er das Tablett auf einen niedrigen Tisch stellte. »Für Sie, Mr. Clapton«, fügte er hinzu und blickte zu Mitch, »ist draußen ein Taxi mit einer Anzahl von Paketen.«
»Oh, Eric, das werden die Gemälde sein. Geh doch bitte und kümmere dich darum, ja?« Anne imitierte das französisch akzentuierte Oberklassen-Englisch so perfekt, daß Mitch Mühe hatte, sein Erstaunen zu verbergen.
Er fuhr im Lift zum Parterre hinunter, durchquerte das Foyer und ging hinaus zum wartenden Taxi. »Lassen Sie 'n Taxameter ruhig weiterlaufen, Meister - Madame kann sich's leisten«, sagte er.
Er drehte sich zum Portier um, dem er zwei Pfundnoten in die Hand drückte. »Versuchen Sie mal, mir 'n Gepäckkarren oder so was zu besorgen - und 'n Mann dazu«, sagte er.
Der Portier verschwand im Hotel und kehrte ein paar Minuten später mit einem uniformierten Pagen zurück, der einen Gepäckkarren schob. Die beiden Männer luden fünf der Gemälde auf den Karren, den der Page sodann durch den Hoteleingang manövrierte. Mitch lud den Rest der Gemälde aus und bezahlte den Taxifahrer. Bald war der Page wieder mit dem leeren Karren zur Stelle, und sie brachten die restlichen Bilder nach oben in die Suite. Mitch gab dem Pagen ein Pfund als Trinkgeld. Hab heut meinen großzügigen Tag, dachte er.
Er schloß die Tür zu und setzte sich zu einer Tasse Kaffee. Die erste Phase des Plans war erfolgreich abgeschlossen, und das plötzliche Bewußtsein dieser Tatsache löste eine starke innere Anspannung in ihm aus: Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er steckte sich eine kurze Zigarette aus dem Päckchen in seiner Hemdtasche an, weil er hoffte, das würde seine Anspannung mildern. Aber das war nicht der Fall - es war niemals der Fall; dennoch hörte er nie auf, darauf zu hoffen. Er trank einen Schluck Kaffee. Noch immer viel zu heiß, das Zeug; und er brachte es einfach nicht fertig,
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