Der Modigliani Skandal
bist.«
»Allerdings. Nun, worum geht es?«
»Ich möchte, daß du dir ein Bild ansiehst.«
Schmidt kippte seinen Scotch. »Hoffentlich ist es ein gutes.«
»Ob's das ist, sollst du mir sagen. Komm, gehen wir.«
Sie verließen die Bar und gingen in Richtung Claypole Gal-lery. Viele Passanten musterten das ungleiche Paar überrascht: den jungen Mann in seinem braunen Nadelstreifenanzug und mit den eleganten Schuhen; und den hochgewachsenen Krüppel an seiner Seite, der ein blaues, am Hals offenes Hemd und eine ausgeblichene Jeansjacke trug. Sie folgten der Straße mit dem berühmten Namen Piccadilly und bogen dann südwärts in die St. James's Street ein. Zwischen einem exklusiven Hutgeschäft und einem französischen Restaurant befanden sich die Bogenfenster von Claypole's.
Sie traten ein und gingen durch die kleine Galerie. Am Ende der Räume befand sich Der Totengräber . Er war besonders hell beleuchtet.
Für Louis handelte es sich eindeutig um einen Van Gogh. Die schweren Glieder und das müde Gesicht des Bauern, die flache holländische Landschaft, der niedrige Himmel, all das schienen unverwechselbare Kennzeichen zu sein. Auch die Signatur war vorhanden.
»Professor Schmidt! Welch ein unerwartetes Vergnügen.«
Louis drehte sich um und sah einen schlanken, eleganten Mann mit angegrautem Van-Dyke-Bart, der einen schwarzen Anzug trug. Schmidt sagte: »Hallo, Claypole.«
Claypole stellte sich zu ihnen und betrachtete das Bild. »Dies ist wirklich so was wie eine Entdeckung«, sagte er. »Ein wunderbares Stück, allerdings eine Neuheit auf dem Markt.«
»Sagen Sie mir, Claypole, wo haben Sie's her?« fragte Schmidt.
»Ich weiß nicht recht, ob ich's Ihnen verraten soll. Sie verstehen schon: Berufsgeheimnis.«
»Sagen Sie mir, woher Sie's haben, und ich sage Ihnen, was es wert ist.«
»Oh - na gut. Es handelt sich eigentlich um einen Glücksfall. Vorige Woche war ein gewisser Renalle von einer kleinen Agentur in Nancy hier in London. Wohnte im Hilton und veräußerte eine ziemlich große Sammlung aus dem Nachlaß eines Industriellen oder so ähnlich. Jedenfalls bot er mir dieses Bild an.«
»Und wieviel verlangen Sie dafür?«
»Einhundertundsechzigtausend Pfund. Ein fairer Preis.«
Schmidt gab eine Art Grunzen von sich und starrte, auf seine Krücke gestützt, auf das Bild.
Claypole fragte: »Und wieviel ist es nach Ihrer Meinung wert?«
Schmidt erwiderte: »Ungefähr einhundert Pfund. Es ist die beste Fälschung, die ich jemals gesehen habe.«
Louis' Redakteur war ein kleinwüchsiger, hakennasiger Mann mit einer Vorliebe für bestimmte Redensarten und Wörter. Er zog sich an der Nasenspitze und sagte: »Wir wissen jetzt also, daß sämtliche Gemälde tatsächlich von jenen Leuten gekauft worden sind, die der anonyme Anrufer nannte. Auch die von ihm erwähnten Preise scheinen zu stimmen. Außerdem wissen wir etwas, das er uns nicht gesagt hat: daß sämtliche Bilder von einem Mann verkauft worden sind, der sich Renalle nannte und im Hilton wohnte. Und schließlich und endlich wissen wir, daß es sich zumindest bei einem der Gemälde um eine Fälschung handelt.«
Louis nickte. »Der Anrufer sagte außerdem noch so etwas wie: ›Wir werden Ihnen sagen, warum wir es getan haben.‹ Klingt doch ganz so, als wäre der Anrufer dieser sogenannte Renalle gewesen.«
Der Redakteur furchte die Stirn. »Ich halte das Ganze für einen Streich, einen Gag«, sagte er.
»Was allerdings nichts an der Tatsache ändert, daß die Londoner ›Kunst-Bruderschaft‹ einem Riesenschwindel aufgesessen ist.«
Der Redakteur musterte Louis. »Keine Sorge, an Ihrer Story wird nicht gerüttelt«, sagte er und überlegte dann einen Augenblick. »Okay, wir werden folgendermaßen vorgehen.« Er blickte zu Eddie Mackintosh, dem Kunstkritiker der Zeitung. »Ich möchte, daß Sie sich an Disley von der National Gallery wenden oder an jemanden von gleichermaßen bedeutendem Ruf. Es muß jemand sein, den wir als Britanniens führenden Kunstexperten bezeichnen können. Bringen Sie ihn dazu, zusammen mit Ihnen all diese Galerien aufzusuchen und eindeutig zu erklären, ob es sich bei den Gemälden um Originale oder um Fälschungen handelt. Bieten Sie ihm ein Beratungshonorar an, falls Sie meinen, daß dergleichen erwartet wird.
Merken Sie sich für alle Fälle eines: Auf gar keinen Fall dürfen Sie diesen Typen sagen, daß Sie allen Grund zu der Annahme haben, daß es sich um Fälschungen handelt. Sobald die was von einem konkret
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