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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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...“
    „Stellen Sie sich als den Fuchs vor, und die Göchhausen ist – nein, nicht etwa ein Bluthund – sie ist eine Meute. Sie hat damals schon mit Erfolg Herrn von Goethe in die Fänge des Weimarer Zirkels gehetzt …“ Er brach ab, als spürte er, dass sein blutrünstiger Vergleich zu hinken begann. „Nun, die Herzoginmutter und ihre Hofdame hatten sich viel vom Dichter des Götz und des Werther versprochen und es auch erhalten. Ich will mich verbessern, natürlich geschah das zu beiderlei Vorteil, nicht nur weil Wieland sich für den Jüngeren einsetzte. Aber in Ihrem Fall, mein lieber Lewis, würde ich auf nicht allzu viel Schutz hoffen. Halten Sie sich sicherheitshalber mit allzu blumigen und galanten Reden zurück, besonders wenn die Göchhausen in Hörweite ist. Sie hört sehr gut, müssen Sie wissen.“
    Böttiger lehnte sich zurück und schaute herablassend drein, als habe er einem Schüler die Weisheit des Lebens in einer Nussschale verpackt auf die große Reise in die weite Welt mitgegeben. Lewis wusste nicht, was er davon halten sollte, und nickte deshalb unverbindlich. Fraglich war allerdings, ob Böttiger ihn überhaupt sehen konnte, denn der paffte an seiner Pfeife, als würde damit seine offenkundige Wut auf das Fräulein von Göchhausen verrauchen.
    Bis auf das leise Schmauchen war es still im Zimmer. Lewis konnte das Ticken der Uhr aus dem Nebenraum und die Geräusche draußen auf der Straße hören. Das Schweigen dehnte sich unangenehm. Böttiger paffte. Lewis ließ seinen Blick über die Wände, die gerahmten Stiche und die Regale wandern, mochte aber auf keinem Motiv verweilen. Er fühlte sich entkräftet. Die fiebrige Nacht und das angespannte Arbeiten forderten ihren Tribut. Langsam verschwamm das Bild vor seinen Augen, die Lider flatterten, und sein Oberkörper fiel schläfrig in sich zusammen. Ein paarmal ruckte er wieder in aufrechte Haltung, dann fiel ihm sachte das Kinn auf die Brust, während ihn die Tabakswolken aus der Pfeife des Schuldirektors wie Traumdunst umspielten.
    „Herder hingegen ist ein sehr feiner und großer Mensch“, sagte Böttiger unvermittelt.
    Lewis schrak auf, dass ihm das Herz bis in die Kehle zu springen schien. Aus dem Nebel schälte sich das Gesicht Böttigers, als dessen Atem die Tabakschwaden teilte. Lewis atmete aufgeregt ein und musste husten. „Bitte?“
    „Johann Gottfried Herder, Generalsuperintendent und Hofprediger. Ebenfalls in Tiefurt oft und gern gesehen. Hochgebildet in Naturgeschichte und Mathematik, Stil und französischer Sprache ... er war auch einige Male in Italien ...“ Böttiger wies auf die Stiche an den Wänden, auf denen die römischen Ruinenlandschaften zu sehen waren. „Mit ihm habe ich so manches anregende Gespräch über derlei Themen geführt, und ich kann sagen, der Mann eignet sich wahrhaft zum Erzpriester des Menschengeschlechts. Da stimmt mir auch Wieland zu. Goethe ebenfalls, schließlich ist Herder erst durch dessen Fürsprache nach Weimar gekommen, und wir alle haben diese Entscheidung nicht bereuen müssen.“
    Lewis war von diesem Überschwang beeindruckt, nicht allein, weil er in völligem Gegensatz zu den Boshaftigkeiten über das Fräulein von Göchhausen stand. Dieser Herder musste wirklich eine famose Persönlichkeit sein, denn bislang hatte Lewis keinerlei Anlass, an den Ausführungen Böttigers zu zweifeln. Auf die Begegnung mit Goethe und der Vulpius hatte ihn der Gymnasialdirektor trotz aller Blumigkeit seiner Vorwarnungen recht treffend vorbereitet.
    „Ich darf nicht unterschlagen“, sprach Böttiger weiter, „dass ich meine jetzige Anstellung ebenfalls der segensreichen Vermittlung des Herrn Herder verdanke.“
    „Das erwähnt er zum dritten Mal“, dachte Lewis und beschloss, Böttigers Urteil über Herder doch eher mit einem Körnchen Salz zu nehmen. Wie auch immer, er konnte sich ein Gähnen nicht mehr verkneifen. Kaum schaffte er es, die Hand vor den Mund zu nehmen.
    „Master Lewis, Sie scheinen ermüdet! Doch nicht etwa wegen meines vorbereitenden Unterrichts?“ Böttiger schien teils ungehalten, teils belustigt.
    „Aber nein. All das war sehr aufschlussreich und wird mir helfen, auf dem gesellschaftlichen Parkett nicht zu versagen.“ Lewis verschluckte ein weiteres Gähnen.
    „Das werden Sie aber, wenn Sie müde sind. Es ist noch Zeit bis zum Abend, und Sie sollten sich noch etwas hinlegen und Schlaf nachholen.“
    Der schulmeisterliche Ton missfiel Lewis, aber als Böttiger auf

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