Der Mönch und die Jüdin
Malachias mit Anselm und über seinen Herrn redete. Aber gewiss gab es auch bestimmte Regeln, an die dieser Diener – das war er doch wohl? – sich halten musste.
Malachias führte sie durch einen langen, düsteren Korridor. »Der Herr ist in seinem Arbeitszimmer«, sagte er.
»Wie meistens um diese Zeit.« Anselm schien sich hier wirklich wie zu Hause zu fühlen. Er benahm sich fast, als hätte er im Palast das Sagen.
Mit einer Verbeugung, die bei ihm nichts Unterwürfiges hatte, sondern geradezu keck wirkte, öffnete Malachias eine schwere Tür. Der Raum dahinter war gut und gerne doppelt so groß wie das Refektorium ihres Klosters. Zwei große, aus kostbaren Glasscheiben bestehende Fenster gaben den Blick auf das mächtige Langhaus des Doms frei. In den Bäumen draußen auf dem Platz tummelte sich ein Schwarm Krähen, deren Geschrei durch die Fenster bis zu ihnen hereindrang. In dem riesigen Zimmer stand ein mächtiges Schreibpult aus dunklem Holz, und auf einem thronartigen, mit Fellen gepolsterten Sessel bei den Fenstern saß ein Mann. Er war in edle schwarze Stoffe gehüllt, mit weißem Pelzbesatz an Hals und Armen, so dass er fast wie ein König wirkte. Auf einem kleinen Tisch neben ihm standen ein Tablett mit kalten Bratenstücken und ein silberner Trinkpokal. War das … der Erzbischof? Wie konnte es dann möglich sein, dass Fleisch auf seinem Tablett lag? Die Fastenzeit dauerte noch fast zwei Wochen.
Der Mann war ein paar Jahre älter als Anselm, vielleicht Anfang fünfzig, hatte einen mächtigen Bauch und ein rotes Gesicht. Er stand auf, kam ihnen entgegen und breitete die Arme aus. An seiner Brust hing an einer langen Goldkette ein großes, mit Juwelen geschmücktes Kreuz. »Anselm! Endlich bist du wieder da!«
Er zog den Mönchsritter an seine Brust. Seine Stimme klang ziemlich dünn und hoch, was nicht recht zu dem massigen Körper passte. Er drückte Anselm unangenehm schmatzende Begrüßungsküsse auf die Wange, was dann auch Gilbert über sich ergehen lassen musste. »Gilbert, ich bedaure, dass ich Euch so schnell nach Köln zurückgerufen habe. Obwohl mich das andererseits nun wieder in den Genuss Eurer Gesellschaft bringt. Euer weiser Rat wird mir bei diesem lästigen Prozess eine große Stütze sein.«
Es handelte sich also tatsächlich um Erzbischof Arnold. Konrad verneigte sich ehrerbietig und hoffte, dabei nicht allzu unbeholfen zu wirken. Ein Bischof, der in der Fastenzeit Fleisch aß! Abt Balduin würde sich angesichts solcher Zustände im Grabe wälzen …
»Du bist also der junge Konrad«, sagte der Erzbischof. »Anselm hat mir schon viel von dir erzählt. Ich freue mich, dass du jetzt bei uns in Köln bist! Für einen begabten jungen Mann wie dich finden wir hier bestimmt interessante Aufgaben. Es wäre wirklich eine Verschwendung, dich noch länger in diesem verschlafenen Kloster zu belassen.« Mit einem Seitenblick auf Gilbert fügte er rasch hinzu. »Verzeiht. Ich meine natürlich, bisher war es verschlafen, denn es gab auf dem ganzen Erdkreis bestimmt keinen langweiligeren Abt als Balduin von Wied. Aber Ihr werdet gewiss frischen Wind dort hineinbringen, Bruder Gilbert. Vor allem muss die grässlich langweilige Klosterbibliothek endlich aufgestockt werden, damit es für die armen Neuwerther Mönche etwas Interessantes zu lesen gibt. Und mag der schreckliche Fulbert deswegen auch noch so toben – diese Furie von einem Bibliothekar, der meint, außer Bernhard von Clairvaux und dem heiligen Augustinus brauche ein frommer Mensch nichts zu lesen.«
Konrad war wie vor den Kopf gestoßen, als er den Erzbischof so reden hörte. Er hatte sich einen würdevollen, strengen Herrn vorgestellt, gewissermaßen eine etwas städtischere und weltgewandtere Ausgabe von Abt Balduin. Nun schaute Arnold ihn mit seinen kleinen, tief zwischen Fettwülsten liegenden Augen forschend an. Vielleicht will er mich ja irgendwie auf die Probe stellen, dachte Konrad. Aber, gütiger Gott, was soll ich ihm denn antworten?
Obwohl Arnold in etwa den gleichen gemütlichen Leibesumfang besaß wie Matthäus, wirkte er keineswegs so vergnügt und warmherzig wie der Koch von Neuwerth. Darüber konnte die lockere Redeweise des Erzbischofs nicht hinwegtäuschen. »Armer Konrad, du musst dich bei Fulbert schrecklich gelangweilt haben.«
Konrad merkte, wie er rot wurde. Der Bischof hatte natürlich recht. Aber wie sollte er sich nun verhalten? Sollte er es zugeben und damit Fulberts Autorität in Frage stellen? Er
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