Der Mönch und die Jüdin
gut – kräftig gewürzt, zart und saftig. Während er kaute, erwartete er, dass irgendetwas Schreckliches geschehen würde. Diese Angst, dass eine Sünde sofortige Strafe nach sich zog, ließ ihn nie ganz los. Im Kloster war ihm immer gesagt worden, dass Gott alles sah.
Natürlich hatte Konrad längst durch eigene Beobachtung bei sich und anderen armen Sündern festgestellt, dass Gottes Strafe in der Regel auf sich warten ließ. Balduin hatte das mit der göttlichen Liebe erklärt. In seiner unermesslichen Liebe schenke Gott dem Menschen die Freiheit, zu sündigen. So könne der Sünder sich aus freien Stücken bekehren, als ein Akt der Liebe zu Gott. Deshalb werde die Strafe in aller Regel bis zum Jüngsten Gericht aufgeschoben. Dann aber gebe es kein Pardon: Die Sünder, die nicht zu Lebzeiten bereut und sich bekehrt hätten, müssten bis in alle Ewigkeit im Feuer brennen.
Die Aussicht auf das Höllenfeuer schien aber weder den Bischof noch Anselm zu belasten, denn beide griffen erneut herzhaft beim Fleisch zu. Und Gilbert hatte sein Stück Biber mit seltsam verklärtem Ausdruck verspeist. Er tut alles aus Liebe, dachte Konrad. Jetzt isst er aus Liebe in der Fastenzeit Fleisch, um Arnold nicht zu kränken, und nicht, weil es ihm schmeckt.
Mit vollem Mund erzählte Arnold im Plauderton: »Habe mal wieder einen Versuch unternommen, mein Verhältnis zu den Patriziern aufzubessern. Ab sofort wird der Palast alle Waren nur noch bei ihnen kaufen – vorausgesetzt, sie können liefern. Die Juden sind außen vor.«
Anselm zuckte mit den Achseln. »Verspreche dir nicht zu viel davon. Diese reichen Patrizier sind ein undankbares Pack. Denen geht es doch immer nur um ihre eigenen Profite, und wenn sie glauben, es dient ihren Interessen, dir einen Dolch in den Rücken zu stoßen, werden sie es tun. Am besten ist es, wenn du sie bei ihrer Selbstsucht packst, sie gegeneinander ausspielst und dadurch schwächst.«
In ihrer Art, die Dinge auf ziemlich sarkastische Art beim Namen zu nennen, waren der Bischof und der Mönchsritter einander nicht unähnlich.
Arnold klopfte Anselm auf die Schulter. »Ah, wie gut, dass du wieder da bist! Deine erfrischenden Ratschläge versüßen mir das politische Geschäft.«
Konrad musste an Hannah und ihre Familie denken. Hannah hatte am vergangenen Abend in der Bibliothek beiläufig erwähnt, dass ihr Vater die Bischofskanzlei als wichtigen Kunden verloren hatte.
Angeführt von Malachias, der stolz und ohne selbst eine Hand zu rühren vor ihnen hermarschierte, brachten Diener noch mehr Braten und dazu Brot, Käse, kandierte Früchte und eine große silberne Karaffe.
»Gießt euch Wein ein!«, sagte Arnold. »Ohne Wein ist jedes Essen nur halb so schmackhaft.« Dann wurde seine Miene plötzlich ernst, und er fuhr fort: »Nun zu den Häretikern. Everwin, Probst des Klosters zu Steinfeld, hat sie mir angezeigt und mich gebeten, gegen sie tätig zu werden. Er wird auch morgen die öffentliche Vernehmung führen. Wie es Brauch ist, sollen sich die Häretiker vor dem Volk bekennen. Die Leute, die jetzt in meinem Kerker sitzen, sind vom Niederrhein heraufgekommen, doch wie man hört, breiten solche neuen Bewegungen sich überall aus. In manchen Orten jagt man sie mit Schimpf und Schande davon, doch man hört auch immer öfter, dass Männer Frauen und Kinder, Haus und Hof zurücklassen, um sich ihnen anzuschließen. Wenn man den Anfängen nicht wehrt, könnten sie für die Autorität der Kirche zu einem ernsten Problem werden.«
»Auch in Frankreich treten vermehrt solche Bewegungen auf«, sagte Gilbert. »Sind es jene, die sich selbst die ›Reinen‹ nennen und sich auf die Lehren des Bogomil berufen?«
Arnold schüttelte den Kopf. »Von denen habe ich auch gehört. Sie behaupten, die Schöpfung sei grundsätzlich böse, vom Satan erschaffen, und die Amtskirche sei in Wahrheit eine Dienerin des Satans. Doch diese hier sind von anderer Art. Sie bezeichnen sich als die ›Armen Christi‹ und berufen sich auf die angeblich ursprüngliche Botschaft des Evangeliums. In ihren Predigten verklären sie schwärmerisch das Leben in den frühen Laiengemeinden, bevor unter Konstantin das Christentum zur Staatsreligion im Römischen Reich wurde. Sie werfen der Kirche vor, sie habe sich durch Macht und Besitzgier korrumpieren lassen und sich damit von den ursprünglichen christlichen Idealen entfernt. Das Dumme daran ist …«
»… sie haben in vielem gar nicht mal unrecht«, beendete Anselm trocken
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